Ein Skandal hat das
Wochenende der DTM beim Gastspiel in Österreich überschattet.
Audi-Pilot Timo Scheider bekommt per Boxenfunk mitgeteilt die vor ihm
fahrenden Mercedes abzuschießen. Und kommt dieser Anweisung nach.
Dieses Manöver hat eins gezeigt: Aus den Fahrern wurden Marionetten,
gesteuert durch Renningenieure.
Doch
der Reihe nach. Was war passiert? Der DTM-Führende Pascal Wehrlein
und sein Mercedes-Markenkollege Robert Wickens duellieren sich kurz
vor Schluss mit Ex-Champion Timo Scheider (Audi). Als einer der
beiden Mercedes Scheider blockiert, um Platz für seinen
Markenkollegen zu machen, gehen bei Audi die Lichter auf Rot.
Scheider bekommt von der Box mitgeteilt, er solle die beiden
abschießen. Was dieser dann auch tat.
Die
Aufregung war nicht nur groß, sondern auch verständlich. Immerhin
kämpft Wehrlein um den Titel in der Rennserie und geht nun punktlos
aus diesem Rennen nach Hause. Zudem zeigen Abschüsse nie von großer,
sportlicher Fairness. So auch schon 1997 gesehen, als Michael
Schumacher Jacques Villeneuve abschießt, um dessen Titel zu
verhindern.
Audi
versuchte sich nun mehr und mehr herauszureden. Die Anweisung wäre
aus der Emotion heraus gesagt worden und hätte nicht die Absicht
gehabt, die beiden Mercedes tatsächlich von der Straße zu schieben.
Dennoch blieb die Rennleitung hart und nahm Scheider für dieses
Rennen aus der Wertung. Weitere Konsequenzen stehen bis dato noch
nicht fest.
Die
Frage der Schuld bleibt aber dennoch bestehen. Wer ist dafür haftbar
zu machen? Ist es Audi-Motorsportchef Wolfgang Ulrich, der den
„Befehl“ gab? Oder doch Timo Scheider, der am Steuer saß? Fakt
ist: Die Aktion war kein normaler Rennunfall.
Allerdings
zeigt sich hier auch die Problematik, die mittlerweile in den
Rennsport Einzug erhalten hat. Nämlich der Boxenfunk. Die Fahrer
werden mehr und mehr zu Marionetten der Teams. Timo Scheider hat
schon zwei Mal die DTM gewonnen. Er ist kein unerfahrener Fahrer, der
nicht weiß, wie er in dieser Situation zu handeln hat. Selbst wenn
solch ein Funkspruch kommt, muss er als Fahrer Eigeninitiative zeigen
und sich an die sportliche Fairness halten. Er selbst hätte
reagieren müssen, in dem er keinen Abschuss versucht.
Doch
diese eigene Denkweise wird mehr und mehr außer Kraft gesetzt. Nicht
nur in der DTM, sondern auch in der Formel 1. Anstatt dass der Fahrer
nur Hinweise für Streckensituation, Wetter oder mögliche technische
Fehler bekommt, wird ihm ein rundum Sorglos-Paket zur Verfügung
gestellt. Das geht so weit, dass der Fahrer gesagt bekommt, wann er
wo zu schalten hat und wie er sein Rennen gestalten soll. Das Rennen
spielt sich nicht mehr im Cockpit, sondern am Kommandostand ab.
Computerprogramme simulieren das Renngeschehen und geben vor, wie ein
Fahrer fahren muss, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Es wird
gerechnet und taktiert. Um dann entsprechende Instruktionen an den
Fahrer weiter zu leiten.
Mit
Rennsport selbst hat das nicht mehr viel zu tun. Ein Fahrer muss
selbst wissen, wie er sein Rennen gestaltet, damit ihm eine Runde vor
Schluss nicht der Sprit ausgeht. Ein Fahrer muss selbst entscheiden,
wann der beste Zeitpunkt für ein Überholmanöver ist. Solche
rennentscheidenden Anweisungen sollten nicht von der Box kommen. Wie
gesagt: Wenn Gefahr auf der Strecke besteht oder das Auto einen
technischen Defekt hat, macht der Boxenfunk mehr als nur Sinn.
Immerhin kann so größerem Schaden vorgebeugt werden. Aber doch
bitte nicht den Fahrer per Box fernsteuern. Das möchte niemand
sehen.
Vor
allem nicht, wenn dadurch Rennsport verhindert wird. So gesehen in
der Formel 1 beim Rennen in England. Valtteri Bottas möchte seinen
Teamkollegen Massa überholen, der dieser ihn nur einbremst. Umgehend
kommt von der Box das Signal, Bottas solle das doch bitte einstellen
und nicht gegen seinen Teamkollegen fahren. Warum? Beide sind
erfahren im Rennsport. Das sind keine Rookies, die die Grenzen der
Autos nicht kennen. Wenn ich simulierte Rennen sehen möchte, kann
ich auch auf der Playstation Formel 1 spielen. Und wenn dann
Teamkollegen sich überholen sollen, dann bitte nicht dieser harmlose
Platztausch, wie man es gerne bei Red Bull beobachten kann.
Ansonsten
wird es mehr und mehr solcher Vorfälle geben. Niemand möchte die
Schuld daran tragen. Aber dennoch gab es einen Vorfall. Das lässt
sich nur eindämmen, in dem der Boxenfunk klar geregelt wird. Nur bei
Gefahr funken. Keine Rennanweisungen. Eigentlich sollte diese Praxis
in der Formel 1 gang und gäbe sein. Ist es aber auch nicht, wenn Red
Bull in der Lage ist Stallorder, die eigentlich auch nicht mehr
regelkonform ist, anzuweisen. Der Fahrer muss wieder mehr in das
Geschehen auf der Strecke rücken. Er selbst muss entscheiden können
und auch dürfen, wann er welche Aktion durchführt. Wer dazu nicht
in der Lage ist, hat in diesen Rennserien dann auch nichts verloren
und kann sich gerne vor den heimischen Fernseher zurückziehen, wo
bei einem Fehler das Spiel neu geladen werden kann. Ansonsten dürfte
der Vorfall von Österreich keine Ausnahme sein. Vielleicht werden in
Zukunft Aktionen weniger deutlich, als viel mehr indirekt
angesprochen. Dennoch dürfte es bei einer Beschränkung des
Boxenfunks auf das Minimum reduziert werden. Jetzt ist es an den
Verantwortlichen zu handeln.
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