Mittwoch, 5. August 2015

Vom Rennfahrer zur Marionette

Ein Skandal hat das Wochenende der DTM beim Gastspiel in Österreich überschattet. Audi-Pilot Timo Scheider bekommt per Boxenfunk mitgeteilt die vor ihm fahrenden Mercedes abzuschießen. Und kommt dieser Anweisung nach. Dieses Manöver hat eins gezeigt: Aus den Fahrern wurden Marionetten, gesteuert durch Renningenieure.

Doch der Reihe nach. Was war passiert? Der DTM-Führende Pascal Wehrlein und sein Mercedes-Markenkollege Robert Wickens duellieren sich kurz vor Schluss mit Ex-Champion Timo Scheider (Audi). Als einer der beiden Mercedes Scheider blockiert, um Platz für seinen Markenkollegen zu machen, gehen bei Audi die Lichter auf Rot. Scheider bekommt von der Box mitgeteilt, er solle die beiden abschießen. Was dieser dann auch tat.

Die Aufregung war nicht nur groß, sondern auch verständlich. Immerhin kämpft Wehrlein um den Titel in der Rennserie und geht nun punktlos aus diesem Rennen nach Hause. Zudem zeigen Abschüsse nie von großer, sportlicher Fairness. So auch schon 1997 gesehen, als Michael Schumacher Jacques Villeneuve abschießt, um dessen Titel zu verhindern.

Audi versuchte sich nun mehr und mehr herauszureden. Die Anweisung wäre aus der Emotion heraus gesagt worden und hätte nicht die Absicht gehabt, die beiden Mercedes tatsächlich von der Straße zu schieben. Dennoch blieb die Rennleitung hart und nahm Scheider für dieses Rennen aus der Wertung. Weitere Konsequenzen stehen bis dato noch nicht fest.

Die Frage der Schuld bleibt aber dennoch bestehen. Wer ist dafür haftbar zu machen? Ist es Audi-Motorsportchef Wolfgang Ulrich, der den „Befehl“ gab? Oder doch Timo Scheider, der am Steuer saß? Fakt ist: Die Aktion war kein normaler Rennunfall.

Allerdings zeigt sich hier auch die Problematik, die mittlerweile in den Rennsport Einzug erhalten hat. Nämlich der Boxenfunk. Die Fahrer werden mehr und mehr zu Marionetten der Teams. Timo Scheider hat schon zwei Mal die DTM gewonnen. Er ist kein unerfahrener Fahrer, der nicht weiß, wie er in dieser Situation zu handeln hat. Selbst wenn solch ein Funkspruch kommt, muss er als Fahrer Eigeninitiative zeigen und sich an die sportliche Fairness halten. Er selbst hätte reagieren müssen, in dem er keinen Abschuss versucht.

Doch diese eigene Denkweise wird mehr und mehr außer Kraft gesetzt. Nicht nur in der DTM, sondern auch in der Formel 1. Anstatt dass der Fahrer nur Hinweise für Streckensituation, Wetter oder mögliche technische Fehler bekommt, wird ihm ein rundum Sorglos-Paket zur Verfügung gestellt. Das geht so weit, dass der Fahrer gesagt bekommt, wann er wo zu schalten hat und wie er sein Rennen gestalten soll. Das Rennen spielt sich nicht mehr im Cockpit, sondern am Kommandostand ab. Computerprogramme simulieren das Renngeschehen und geben vor, wie ein Fahrer fahren muss, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Es wird gerechnet und taktiert. Um dann entsprechende Instruktionen an den Fahrer weiter zu leiten.

Mit Rennsport selbst hat das nicht mehr viel zu tun. Ein Fahrer muss selbst wissen, wie er sein Rennen gestaltet, damit ihm eine Runde vor Schluss nicht der Sprit ausgeht. Ein Fahrer muss selbst entscheiden, wann der beste Zeitpunkt für ein Überholmanöver ist. Solche rennentscheidenden Anweisungen sollten nicht von der Box kommen. Wie gesagt: Wenn Gefahr auf der Strecke besteht oder das Auto einen technischen Defekt hat, macht der Boxenfunk mehr als nur Sinn. Immerhin kann so größerem Schaden vorgebeugt werden. Aber doch bitte nicht den Fahrer per Box fernsteuern. Das möchte niemand sehen.

Vor allem nicht, wenn dadurch Rennsport verhindert wird. So gesehen in der Formel 1 beim Rennen in England. Valtteri Bottas möchte seinen Teamkollegen Massa überholen, der dieser ihn nur einbremst. Umgehend kommt von der Box das Signal, Bottas solle das doch bitte einstellen und nicht gegen seinen Teamkollegen fahren. Warum? Beide sind erfahren im Rennsport. Das sind keine Rookies, die die Grenzen der Autos nicht kennen. Wenn ich simulierte Rennen sehen möchte, kann ich auch auf der Playstation Formel 1 spielen. Und wenn dann Teamkollegen sich überholen sollen, dann bitte nicht dieser harmlose Platztausch, wie man es gerne bei Red Bull beobachten kann.


Ansonsten wird es mehr und mehr solcher Vorfälle geben. Niemand möchte die Schuld daran tragen. Aber dennoch gab es einen Vorfall. Das lässt sich nur eindämmen, in dem der Boxenfunk klar geregelt wird. Nur bei Gefahr funken. Keine Rennanweisungen. Eigentlich sollte diese Praxis in der Formel 1 gang und gäbe sein. Ist es aber auch nicht, wenn Red Bull in der Lage ist Stallorder, die eigentlich auch nicht mehr regelkonform ist, anzuweisen. Der Fahrer muss wieder mehr in das Geschehen auf der Strecke rücken. Er selbst muss entscheiden können und auch dürfen, wann er welche Aktion durchführt. Wer dazu nicht in der Lage ist, hat in diesen Rennserien dann auch nichts verloren und kann sich gerne vor den heimischen Fernseher zurückziehen, wo bei einem Fehler das Spiel neu geladen werden kann. Ansonsten dürfte der Vorfall von Österreich keine Ausnahme sein. Vielleicht werden in Zukunft Aktionen weniger deutlich, als viel mehr indirekt angesprochen. Dennoch dürfte es bei einer Beschränkung des Boxenfunks auf das Minimum reduziert werden. Jetzt ist es an den Verantwortlichen zu handeln.

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