17 Jahre lang trug
Sven Ulreich das Trikot des VfB Stuttgart. Nun wechselt er zur
kommenden Saison zum FC Bayern München. Da stellt sich die
altbewährte Frage: Verräter oder logischer Schritt?
Sven
Ulreich galt als Identifikationsfigur beim VfB. Auch in schweren
Zeiten schlug er nicht nur lukrative Angebote von anderen Vereinen
aus. Er verzichtet auch selbst auf Gehalt, um einen neuen Kontrakt
bei seinem Verein zu bekommen. Als Stuttgart um den Abstieg
fürchtete, war Ulreich einer der Rückhalte des Teams.
Nun
hat sich der deutsche Rekordmeister die Dienste des Torwarts
gesichert. Angesichts der Tatsache, dass Manuel Neuer die
unumstrittene Nummer eins ist, dürfte klar sein, dass Ulreich nur
die Nummer zwei sein wird. Vom Stammtorhüter zum Reservist bei den
ungeliebten Münchenern.
Vor
allem, weil er immer wieder seine Liebe und Treue zum Verein
bekundete, ist die gängige Bezeichnung „Verräter“ doch leicht
gesprochen. Ulreich verlässt den VfB, der nach zwei katastrophalen
Saisons einen Neuanfang versuchen möchte. Gerade jetzt, wo Stuttgart
zurück in alte Dimensionen möchte, verlässt eine Stammkraft das
sinkende Schiff. Verrat an seinen eigenen Überzeugungen.
Oder
doch nicht? Fakt ist, dass Ulreich zwar bei den Fans immer einen
besonderen Status genoss. Bei Verantwortlichen und Trainern war das
nicht immer so. So wurde er zu Beginn der Saison zur Nummer zwei
hinter Torsten Kirschbaum degradiert. Ohne, dass es dafür einen
nennenswerten Grund gab. Einfach, weil Veh, der Trainer, es so
wollte. Erst als Kirschbaum nicht die Leistung brachte, die man sich
von ihm erhoffte, durfte Ulreich wieder in den Kasten.
Und
auch nach Erhalt der Klasse sprach man kein hundertprozentiges
Vertrauen an den Schlussmann aus. Sicherlich hat er zum Erreichen
dieses Ziels beigetragen. Ein Bekenntnis von Sportchef Robin Dutt
sieht aber anders aus.
Beim
VfB hat man nicht unbedingt mehr mit Ulreich geplant. Vielleicht
wurde ihm ein Wechsel nahe gelegt. Zumindest aber legte man Seitens
des VfB dem Torwart keine Steine in den Weg. Und das, obwohl
Ersatztorhüter Kirschbaum ebenfalls vor dem Abgang (Nürnberg hat
Interesse) steht und damit Stuttgart ein komplett neues Torhüterduo
verpflichten muss.
So
kann es für Ulreich keine bessere Adresse geben, als den FC Bayern
München. Klar, er wird nur Nummer zwei sein. Der Stammplatz ist weg.
Allerdings dürfte er sich dennoch weiter entwickeln – auch ohne
Spielpraxis. Die Bayern selbst haben hingegen einen recht starken
Ersatztorhüter, der sich auch mit der Rolle als Nummer 2 abfindet.
Eine win-win-Situation für alle drei Parteien, da der VfB durch den
Wechsel noch eine Abfindung in Millionenhöhe kassieren wird.
Sicherlich
sind die Fans das VfB enttäuscht. Stellenweise macht man sich sogar
in den sozialen Netzwerken über diesen Wechsel lustig. Da ist sogar
von „Ja zur Rente mit 26“ zu lesen. Dennoch sollten eben jene
Fans auch mal die Machenschaften der Verantwortlichen hinterfragen.
Beim VfB lief in den letzten Jahren einiges falsch. Da muss man sich
nur mal den Umgang mit Retter Huub Stevens anschauen. Die Frage, was
hinter den Kulissen passiert, darf da nicht unberücksichtigt
bleiben. An der Oberfläche schaut es nur so aus, dass Ulreich dem
Verein den Rücken zuwendet, um bei den Bayern als Ersatztorhüter
anzuheuern. Kohle, statt Stammplatz und Leidenschaft. Doch was
dahinter abgelaufen ist, weiß niemand. Ansonsten hätte Ulreich wohl
kaum einen Wechsel in Betracht gezogen. Wäre er zur unbestrittenen
Nummer eins beim VfB ernannt worden. Hätte der Verein ein
zukunftsorientiertes Konzept vorgelegt. Wäre der Wechsel vielleicht
nie zu Stande gekommen. So nutzt Sven Ulreich die Gunst der Stunde,
die er sich, aus meiner Sicht, auch verdient hat. Er hat immer hinter
dem VfB gestanden – egal wie schlecht es stand. Dennoch wurde er
immer wieder zur Nummer zwei degradiert oder kritisiert, wenn er mal
Fehler machte. Oftmals wurde nicht die Abwehr in Frage gestellt,
sondern Ulreich. Den Lohn wird er nun bei den Bayern dafür bekommen.
Zwar nicht in Spielzeiten, vielleicht aber mit Entwicklungschancen.
Im
Übrigen gibt es noch so einen Fall, in dem ein Spieler jahrelang
einem Verein treu war, der Verein selbst es ihm aber nicht gedankt
hat. Die Rede ist von Tobias Sippel. Der FC Kaiserslautern hat ihn
auch immer wieder zur Nummer zwei degradiert, wenn gerade ein
besserer Torwart vorhanden war. War dies nicht der Fall, war Sippel
gut genug. Auch er holt sich dafür jetzt seinen Lohn ab, in dem er
bei Borussia Mönchengladbach als Nummer zwei anheuert. Was damit der
einzige Aufstieg eines FCK'lers in die erste Liga bedeutet.
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