Eine Freiluftsportart
hat zweifelsohne ihre Tücken. Wind, Wetter und Witterung können
immer wieder dazwischen funken und in den Wettkampf eingreifen.
Oftmals kann dadurch die Fairness nicht mehr gewahrt werden. Daher
versuchen Verbände, sowohl auf nationaler, als auch auf
internationaler Ebene, diese wieder herstellen zu können. Wie beim
Skispringen.
Wer
die Sportart schon länger verfolgt, dürfte schon die eine oder
andere Kuriosität erlebt haben. Sieger, die völlig überraschend
oben stehen durften und diese Sensation nicht wiederholen konnten;
Favoriten, die nicht in den zweiten Durchgang kamen; nicht zuletzt
gar heftige Stürze. Bei kaum einer anderen Sportart, greift das
Wetter so intensiv ein, als bei der Weitenjagd vom Bakken. In den
meisten Fällen gleicht sich so etwas im Laufe einer Saison aus. Doch
eine Garantie gibt es dafür nicht. Schließlich lässt sich das
Wetter nicht kontrollieren.
Also
versuchen Verantwortliche durch andere Lösungen, diese Fairness
herzustellen und zu garantieren. Seit geraumer Zeit gibt es durchaus
ominöse Windpunkte. Doch der Reihe nach.
Ein
Ergebnis beim Skispringen setzte sich bisher aus zwei Komponenten
zusammen. Der Haltungsnote und der Weitenpunkte. Bei der Haltungsnote
geben fünf Punktrichter maximal 20 Punkte und können, je nach
Haltung, Punkte abziehen. Dabei werden die beste und die schlechteste
Note gestrichen, sodass lediglich drei Noten in die Bewertung
eingehen. Bei den Weitenpunkte muss der Springer zunächst den
Konstruktionspunkt der Schanze erreichen. Dafür gibt es eine gewisse
Grundpunktzahl. Je nachdem, ob er weiter oder kürzer springt, werden
Punkte addiert oder subtrahiert.
Zu
diesen beiden Werten gesellen sich nun noch Windpunkte. Je nachdem,
wie die Bedingungen sind, bekommt der Springer Punkte gut
geschrieben, oder abgezogen. Ebenso gibt es Punktabzug oder
Punkteaddition, wenn die Luke des Anlaufs während des Wettbewerbes
(was vorher nicht möglich war) verändert wird.
Soweit
in der Theorie, die ja doch Chancengleichheit ermöglichen soll.
Zunächst
fand ich die Idee an sich gar nicht so verkehrt. Eben aus dem Grund,
dass Springer für schlechte Bedingungen, für die niemand etwas
kann, entschädigt werden, sodass am Ende ein bereinigtes Tableau zu
finden ist. Ebenso begrüßte ich die Tatsache, dass die Anlauflänge
variiert werden konnte. Dadurch hatte die Jury viel größere
Freiräume, um auf wechselnde Windbedingungen einzugehen.
Das
System ist nun seit Sommer 2010 offiziell in den Regeln
festgeschrieben. Und je mehr nach diesem System gesprungen wird,
desto mehr frage ich, was diese Sportart noch mit der zu tun hat, die
ich leidenschaftlich um die Jahrtausendwende mit Martin Schmitt, Sven
Hannawald und Co. begonnen habe zu schauen.
Denn
es ist heute egal, ob jemand weit fliegt. Es spielen so viele
Faktoren eine Rolle, dass ein Springer, der in beiden Durchgängen
die Bestweite erzielt hat, gar nicht am Ende oben auf dem Treppchen
stehen wird. Für mich als Zuschauer ist das Bewertungssystem einfach
zu undurchsichtig geworden. Für mich ist nicht immer klar, wer warum
wie viele Punkte dazu kommt oder abgezogen bekommt. Es hat den
Anschein, als hieße diese Sportart nun Glücksspringen. Sicherlich
ist das ein wenig überzogen, stehen seit 2010 keine Überraschungen
im Weltcup vorne, sondern Athleten, mit denen zu rechnen war.
Trotzdem kann ich manches Ergebnis einfach nicht nachvollziehen.
Der
Grund, warum ich jetzt diesen Artikel schreibe, liegt am Olympischen
Wettbewerb auf der Normalschanze, der vor wenigen Stunden zu Ende
gegangen ist. Vielleicht bin ich da ein wenig parteiisch, weil es um
deutsche Athleten geht. Trotzdem erschloss sich mir manch
Punktevergabe nicht.
Nehmen
wir mal zum Vergleich den Deutschen Andreas Wank und den Österreicher
Thomas Diethard. Wank kam bei seinen Sprüngen auf 101 m und 97 m;
Diethard auf 99 und 98 m. In der Summe liegt Wank einen Meter vor;
allerdings kommen hier natürlich noch die Haltungsnoten hinzu. Beide
Springer waren punktgleich im ersten Durchgang, starteten also
unmittelbar aufeinander folgend im zweiten Durchgang. Trotzdem liegt
Diethard in der Endabrechnung auf Rang 4 mit 5 Punkten Vorsprung auf
Wank, der Rang 11 holte. Diese 5 Punkte können unmöglich bei der
Haltung abgezogen worden sein, da beide Athleten auch in etwa gleiche
Noten hatten. Trotzdem ein Unterschied von 5 Punkten und 6 Plätzen.
Ebenso glaube ich nicht, dass sich der Wind so stark geändert hat.
Ich
verstehe das System einfach nicht. Ein Athlet, der Vorsprung auf
einen Springer hat, fällt hinter diesen zurück, obwohl er einen
weiteren Flug hatte. Bis ein Ergebnis für den Springer auf der
Anzeigetafel steht, muss man erst warten, welche Werte der Computer
ausspuckt. Vielleicht hat der Springer Glück und bekommt gute Werte.
Oder aber er hat Pech und fällt zurück.
Klar,
man hat versucht, diese Sportart fairer zu gestalten. Trotzdem bleibt
es eine Freiluftsportart, bei der der Wind eben eine Rolle spielt. Da
braucht es nicht noch zusätzlich eine Willkür des Computers, der
Werte ausspuckt, in die keiner Einsicht hat und die auch niemand
verstehen kann. Glück war schon immer im Spiel. Niemand konnte die
Bedingungen zu seinem Gunsten oder der Ungunst von anderen Athleten
bestimmen. Manchmal hatte ein Sportler eben Bedingungen, die ihn nach
vorne brachten; manchmal nicht. Trotzdem sah der Zuschauer immer,
woran es lag, dass ein Athlet eine gewisse Leistung erbrachte.
Ich
weiß nicht, wie dies nun bei anderen Fans dieser Sportart aussieht.
Doch auf meiner Seite ist das Interesse deutlich gesunken. Es macht
mir einfach kaum noch Spaß. Früher wusste man, dass wenn ein
Springer ordentlich in der Luft lag und eine gewisse Weite erreicht
hatte, dass er auch in Führung ging. Heute darf man gespannt sein,
was denn der Computer noch so mit dem Springer vorhat. Ich möchte
hier keinen Eingriff der Jury unterstellen, dass hier Springer nach
belieben positioniert werden. Ich denke, das ist einfach zu weit
hergeholt und auch nicht durchführbar. Trotzdem bleibt diese Willkür
mit den Computerzahlen. Für mich ist dieses System gescheitert. Dann
möchte ich lieber Überraschungssieger sehen, die auch das Quäntchen
Glück haben. Aber Dank Mutter Natur, und nicht Dank einer
Rechenmaschine.
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