Sonntag, 9. Februar 2014

Fairness auf Kosten der Durchsichtigkeit?

Eine Freiluftsportart hat zweifelsohne ihre Tücken. Wind, Wetter und Witterung können immer wieder dazwischen funken und in den Wettkampf eingreifen. Oftmals kann dadurch die Fairness nicht mehr gewahrt werden. Daher versuchen Verbände, sowohl auf nationaler, als auch auf internationaler Ebene, diese wieder herstellen zu können. Wie beim Skispringen.

Wer die Sportart schon länger verfolgt, dürfte schon die eine oder andere Kuriosität erlebt haben. Sieger, die völlig überraschend oben stehen durften und diese Sensation nicht wiederholen konnten; Favoriten, die nicht in den zweiten Durchgang kamen; nicht zuletzt gar heftige Stürze. Bei kaum einer anderen Sportart, greift das Wetter so intensiv ein, als bei der Weitenjagd vom Bakken. In den meisten Fällen gleicht sich so etwas im Laufe einer Saison aus. Doch eine Garantie gibt es dafür nicht. Schließlich lässt sich das Wetter nicht kontrollieren.
Also versuchen Verantwortliche durch andere Lösungen, diese Fairness herzustellen und zu garantieren. Seit geraumer Zeit gibt es durchaus ominöse Windpunkte. Doch der Reihe nach.
Ein Ergebnis beim Skispringen setzte sich bisher aus zwei Komponenten zusammen. Der Haltungsnote und der Weitenpunkte. Bei der Haltungsnote geben fünf Punktrichter maximal 20 Punkte und können, je nach Haltung, Punkte abziehen. Dabei werden die beste und die schlechteste Note gestrichen, sodass lediglich drei Noten in die Bewertung eingehen. Bei den Weitenpunkte muss der Springer zunächst den Konstruktionspunkt der Schanze erreichen. Dafür gibt es eine gewisse Grundpunktzahl. Je nachdem, ob er weiter oder kürzer springt, werden Punkte addiert oder subtrahiert.
Zu diesen beiden Werten gesellen sich nun noch Windpunkte. Je nachdem, wie die Bedingungen sind, bekommt der Springer Punkte gut geschrieben, oder abgezogen. Ebenso gibt es Punktabzug oder Punkteaddition, wenn die Luke des Anlaufs während des Wettbewerbes (was vorher nicht möglich war) verändert wird.
Soweit in der Theorie, die ja doch Chancengleichheit ermöglichen soll.

Zunächst fand ich die Idee an sich gar nicht so verkehrt. Eben aus dem Grund, dass Springer für schlechte Bedingungen, für die niemand etwas kann, entschädigt werden, sodass am Ende ein bereinigtes Tableau zu finden ist. Ebenso begrüßte ich die Tatsache, dass die Anlauflänge variiert werden konnte. Dadurch hatte die Jury viel größere Freiräume, um auf wechselnde Windbedingungen einzugehen.
Das System ist nun seit Sommer 2010 offiziell in den Regeln festgeschrieben. Und je mehr nach diesem System gesprungen wird, desto mehr frage ich, was diese Sportart noch mit der zu tun hat, die ich leidenschaftlich um die Jahrtausendwende mit Martin Schmitt, Sven Hannawald und Co. begonnen habe zu schauen.
Denn es ist heute egal, ob jemand weit fliegt. Es spielen so viele Faktoren eine Rolle, dass ein Springer, der in beiden Durchgängen die Bestweite erzielt hat, gar nicht am Ende oben auf dem Treppchen stehen wird. Für mich als Zuschauer ist das Bewertungssystem einfach zu undurchsichtig geworden. Für mich ist nicht immer klar, wer warum wie viele Punkte dazu kommt oder abgezogen bekommt. Es hat den Anschein, als hieße diese Sportart nun Glücksspringen. Sicherlich ist das ein wenig überzogen, stehen seit 2010 keine Überraschungen im Weltcup vorne, sondern Athleten, mit denen zu rechnen war. Trotzdem kann ich manches Ergebnis einfach nicht nachvollziehen.
Der Grund, warum ich jetzt diesen Artikel schreibe, liegt am Olympischen Wettbewerb auf der Normalschanze, der vor wenigen Stunden zu Ende gegangen ist. Vielleicht bin ich da ein wenig parteiisch, weil es um deutsche Athleten geht. Trotzdem erschloss sich mir manch Punktevergabe nicht.
Nehmen wir mal zum Vergleich den Deutschen Andreas Wank und den Österreicher Thomas Diethard. Wank kam bei seinen Sprüngen auf 101 m und 97 m; Diethard auf 99 und 98 m. In der Summe liegt Wank einen Meter vor; allerdings kommen hier natürlich noch die Haltungsnoten hinzu. Beide Springer waren punktgleich im ersten Durchgang, starteten also unmittelbar aufeinander folgend im zweiten Durchgang. Trotzdem liegt Diethard in der Endabrechnung auf Rang 4 mit 5 Punkten Vorsprung auf Wank, der Rang 11 holte. Diese 5 Punkte können unmöglich bei der Haltung abgezogen worden sein, da beide Athleten auch in etwa gleiche Noten hatten. Trotzdem ein Unterschied von 5 Punkten und 6 Plätzen. Ebenso glaube ich nicht, dass sich der Wind so stark geändert hat.
Ich verstehe das System einfach nicht. Ein Athlet, der Vorsprung auf einen Springer hat, fällt hinter diesen zurück, obwohl er einen weiteren Flug hatte. Bis ein Ergebnis für den Springer auf der Anzeigetafel steht, muss man erst warten, welche Werte der Computer ausspuckt. Vielleicht hat der Springer Glück und bekommt gute Werte. Oder aber er hat Pech und fällt zurück.
Klar, man hat versucht, diese Sportart fairer zu gestalten. Trotzdem bleibt es eine Freiluftsportart, bei der der Wind eben eine Rolle spielt. Da braucht es nicht noch zusätzlich eine Willkür des Computers, der Werte ausspuckt, in die keiner Einsicht hat und die auch niemand verstehen kann. Glück war schon immer im Spiel. Niemand konnte die Bedingungen zu seinem Gunsten oder der Ungunst von anderen Athleten bestimmen. Manchmal hatte ein Sportler eben Bedingungen, die ihn nach vorne brachten; manchmal nicht. Trotzdem sah der Zuschauer immer, woran es lag, dass ein Athlet eine gewisse Leistung erbrachte.
Ich weiß nicht, wie dies nun bei anderen Fans dieser Sportart aussieht. Doch auf meiner Seite ist das Interesse deutlich gesunken. Es macht mir einfach kaum noch Spaß. Früher wusste man, dass wenn ein Springer ordentlich in der Luft lag und eine gewisse Weite erreicht hatte, dass er auch in Führung ging. Heute darf man gespannt sein, was denn der Computer noch so mit dem Springer vorhat. Ich möchte hier keinen Eingriff der Jury unterstellen, dass hier Springer nach belieben positioniert werden. Ich denke, das ist einfach zu weit hergeholt und auch nicht durchführbar. Trotzdem bleibt diese Willkür mit den Computerzahlen. Für mich ist dieses System gescheitert. Dann möchte ich lieber Überraschungssieger sehen, die auch das Quäntchen Glück haben. Aber Dank Mutter Natur, und nicht Dank einer Rechenmaschine.

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