Die Olympischen Spiele
sind nicht nur ein Ereignis für Zuschauer und Sportler. Vielmehr
sorgen Erfolge dafür, dass die Karriere in neue Dimensionen gehoben
wird. Medaillen als Balsam für die geschundene Sportlerseele.
Der
vierte Platz ist der undankbarste im Sport. Vor allem, wenn man
diesen bei Großereignissen regelmäßig bucht, steigt doch das Level
der Frustration an. Genau so dürfte auch Severin Freund gedacht
haben. 2012 bei der Skiflug-Weltmeisterschaft im Einzel auf Rang 4;
ebenso bei der Weltmeisterschaft 2013 in Val di Fiemme von der
Kleinschanze. Zu allem Übel folgten in den Jahren 2013 und 2014 das
Aus bei der Vierschanzentournee, nachdem er jeweils bei einem
Springen nicht den zweiten Durchgang erreichte. Als dann die
Olympischen Spielen in Sotchi auf dem Programm standen, sollte alles
besser werden. Die erste Einzelmedaille wollte er holten. Nach einem
Sturz im ersten Durchgang von der Kleinschanze, waren diese
Hoffnungen begraben. Und auch das Springen von der Großschanze
sollte nicht besser werden: Erneut Rang 4. Keine Medaille. Die
Zweifel an Freund wurden groß. Kann er diesem Druck nicht
standhalten? Wird er es je schaffen, wenn es darauf ankommt, die
Nerven zu behalten?
Er
wusste die Kritiker eines besseren zu belehren. Beim Teamspringen
landete er souverän und sicherte somit die Goldmedaille für das
deutsche Team. Die dritte nach 1994 in Lillehammer und 2002 in Salt
Lake City. Doch welche Auswirkungen diese Medaille haben würde,
hätte niemand gedacht. Sie fungierte als unglaubliche
Motivationshilfe. Plötzlich wusste Freund, dass er es kann.
Die
Freundschen Spiele begannen nach Olympia. Und zwar mit 6
Podestplätzen in 7 Springen, wovon drei davon Siege waren.
Beachtlich dabei ist nicht nur, dass er den Doppelolympiasieger und
Weltcupführenden Kamil Stoch hinter sich lassen konnte. Es war die
Art und Weise, wie er es tat. Nämlich mit zahlreichen Punkten
Vorsprung. Es war kein Zittern, um jeden Punkt, sondern eine
tadellose Leistung. Nicht zuletzt zeigte er dies an diesem Wochenende
auf dem legendären Holmenkollen. Nur drei Sprünge gingen über 130
Meter. Einen setzte Kamil Stoch, die anderen beide Severin Freund.
Dabei war er aber nicht nur weitenmäßig der Konkurrenz überlegen,
sondern auch ästhetisch. Kaum Abzüge in der Haltungsnote, ließen
den Vorsprung noch weiter anwachsen. Freund ruft Automatismen ab. Er
muss nicht viel tun, die Sprünge gehen fast von alleine. Nicht nur
Werner Schuster zeigt sich euphorisch und begeistert. Auch die
Zuschauer zu Hause haben wieder einen Grund, um beim Skispringen
mitzufiebern.
Und
nach und nach arbeitet er sich auch im Gesamtweltcup nach vorne.
Kamil Stoch scheint den Gesamtsieg sicher zu haben. Doch nachdem
Freund Altmeister Noriaki Kasai bereits abgehängt hat, fehlen nur
noch 29 Punkte auf Peter Prevc, der momentan zweiter ist. Sicherlich
sein nächstes Ziel, bei den beiden noch ausstehenden Wettkämpfen.
Doch
nicht nur das. Am kommenden Wochenende steht die
Skiflug-Weltmeisterschaft im tschechischen Harrachov an. Es kommt
daher nicht von ungefähr, dass Freund ein Titelkandidat, wenn nicht
sogar der Titelkandidat schlechthin ist.
Auf
Grund der Motivation durch die bisherigen Erfolge und mit der
Goldmedaille im Gepäck, sowie der Tatsache, dass die Sprünge fast
wie von selbst ablaufen, hat er auch alle Möglichkeiten, erneut
seine Kritiker eines besseren zu belehren und die ersehnte
Einzelmedaille zu gewinnen. Ganz gleich, welche Farbe diese hat.
Sollte ihm dies gelingen, wird er im nächsten Jahr ein Aspirant auf
den Gesamtweltcup sein. Und könnte nach Martin Schmitt 1999/2000 als
nächster Deutscher diesen Titel holen. Zuzutrauen wäre es. Wenn er
diese Motivation über den Sommer mitnehmen kann und die Sprünge
einfach geschehen.
Und
noch was zum Thema Deutsche und Skispringen. Die letzte
Skiflug-Weltmeisterschaft in Harrachov fand im Jahre 2002 statt.
Damals hieß der Sieger Sven Hannawald. Vielleicht ein gutes Zeichen,
für das kommende Wochenende.
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