Donnerstag, 12. September 2013

Der zweite Abschied vom Leistungssport

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Man selbst ist 21 Jahre alt und ein relativ guter Fußballer. Immerhin so gut, dass Fortuna Köln (damals noch Drittligist) auf einen aufmerksam wird und einen Vertrag anbietet, den man natürlich gerne unterschreibt. Schließlich wäre der Schritt in die zweite oder gar erste Fußbal-bundesliga nicht mehr weit gewesen. Doch vier Tage nach dem absolvierten Probetraining geschieht das Unfassbare. Bei einem normalen Ligaspiel kommt es zum Zusammenstoß mit dem Torwart. Die Folge: Eine schwere Knieverletzung und das Erleiden des Kompartmentsyndroms. Durch eine Reihe von Behandlungsfehlern musste schließlich eine Woche später das linke Bein oberhalb des Knies amputiert werden. Vermutlich für jeden ein kleiner Schock. Doch dieser Ex-Fußballer sollte noch ganz groß auf der Weltbühne des Sports auftreten. Erfolgreicher, wie er hätte als Fußballer vermutlich nie sein können. Sein Name: Wojtek Czyz.

Er suchte sich einen anderen Sport und fand mit der Leichtathletik sein Feld. Bereits zehn Monate nach seinem Unfall wurde er im Jahr 2002 deutscher Meister in den 100m, sowie im Weitsprung und verbesserte auf Anhieb die deutschen Rekorde. Sein internationaler Durchbruch folgte dann bei den Paralympischen Sommerspielen von 2004 in Athen. Er selbst sagt immer, er sie als "Niemand", also als ein Unbekannter angereist. Aber er verließ die Spieler als "Jemand". Nämlich jemand, der in den 100m, 200m und dem Weitsprung Gold gewinnen konnte: Ein Hattrick beim ersten Auftritt. Was folgt ist eine Karriere mit zahlreichen Titeln und Bestleistungen. Bei allen internationalen Wettkämpfen konnte er Medaillen holen. Drei Mal Gold bei Europameisterschaften, drei Mal Gold und einmal Silber bei Weltmeisterschaften, sieben Mal Gold bei den IWAS World Games.
Auch bei den Paralympischen Spielen machte er immer auf sich aufmerksam. Nachdem die Vorbereitung zu den Spielen von 2008 in Peking nicht optimal lief und er sich einen Ermüdungsbruch zuzog, konnte er nur am Weitsprung teilnehmen. Am Ende gab es die vierte Goldmedaille samt neuem Weltrekord im Weitsprung.
Seine dritten und letzten Spiele hatte er letzten Sommer in London, bei denen er zum ersten Mal auch in der 4x100m Staffel antreten wollte. Im Weitsprung musste er sich nur seinem Landsmann Markus Rehm geschlagen geben und holte Silber. Weniger erfolgreich lief es bei den 200m, bei denen er nur fünfter wurde. Es war der erste Paralympische Wettkampf für Czyz ohne Medaille. Diese folgten dann mit Bronze und Saisonbestleistung bei den 100m, sowie der Bronzemedaille mit der 4x100m Staffel. Er ist damit einer der erfolgreichsten deutschen Teilnehmern bei den Paralympischen Spielen überhaupt.
Czyz hielt zudem mit 25,75s über die 200m und mit 6,72m im Weitsprung zwei Weltrekorde. Für seine Leistungen wurde er 2004 mit dem Silbernen Lorbeerblatt geehrt.
Gleichzeitig setzt sich der Wahl-Kaiserslauterer für seine Kollegen ein, dass sie an Wettkämpfen für nicht-behinderte Sportler teilnehmen dürfen, wie es Oscar Pistorius schon geschafft hat. Markus Brehm hat im Weitsprung immerhin bei der WM eine 7,95m geschafft. Damit hätte er die Norm für die Qualifikationsnorm für die deutschen Meisterschaften geschafft, dort wäre er rechnischer dritter geworden - bei den nicht-behinderten wohlgemerkt.
Zur Ruhe setzen will sich Czyz aber noch nicht. Mit seinem Projekt "sailing4handicaps" will er mit einem Katamaran auf Weltreise gehen, um Menschen in ärmeren Ländern mit ausgedienten Prothesen zu versorgen. Spätestens 2015 will er in See stechen.
Am 30. August hat er bei der Flugnacht in Eisenberg nahe Kaiserslautern seine erfolgreiche Karriere beendet - nach 12 Jahren Leistungssport.

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