Des deutschen liebste
Sportart ist zweifelsohne Fußball. Doch alle vier Jahre tritt
plötzlich eine Sportart auf den Schirm, die außerhalb der
Olympischen Spiele kaum Beachtung findet; dafür um so mehr bei den
Spielen boomt. Die Rede ist von Curling. In diesem Artikel möchte
ich diese Sportart ein wenig näher vorstellen.
Kanada
war nicht nur die dominierende Nation im Eishockey, sondern auch im
Curling. Sowohl bei den Herren, als auch bei den Damen konnten das
Land mit dem Ahornblatt den Olympiasieg davon tragen. Deutschland hat
dabei, wie zu erwarten, kaum eine Rolle gespielt. Dafür findet man
neben Kanada Nationen wie Großbritannien und Schweden unter den
Favoriten. Was auch wenig verwunderlich ist. So gibt es in Kanada
etwa 1,3 Millionen Curlingspieler; in Deutschland hingegen gerade
einmal 800. Doch wieso genau fasziniert diese Sportart, die die
Quoten der TV-Sender in die Höhe schlagen lässt, so sehr? Und wie
funktioniert dieses Granitblockschieben eigentlich?
1.
Das Spielfeld
Das Spielfeld hat etwa die Maße 44,5 x 4,75 m und ist wie folgt
aufgebaut:
1. Das Haus
Der zentrale Ort des Spiels ist das Haus. Ziel ist es, die Steine
darin zu positionieren. Gezählt werden die Steine, die sich im Haus
befinden, oder es berühren.
2. Hack
Das Hack dient dem Spieler, der die Steine schiebt, als Abstoßhilfe,
um sich nach vorne zu drücken.
Die verschiedenen Linien
3. Centre-Line
Die sogenannte Centre-Line halbiert das Spielfeld der Länge nach und
dient als Orientierunghilfe für zu spielende Steine.
4. Back-Line
Die Backline befindet sich hinter dem Haus. Alle Steine, die dort hin
gespielt werden, werden aus dem Spiel genommen.
5. Tee
Das Tee ist der Mittelpunkt des Hauses.
6. Tee-Linie
Die Tee-Linie verläuft parallel zur Backline und ist durch das Tee
gezogen. Steine, die dahinter landen, dürfen vom gegnerischen Team
weggewischt werden.
7. Hog-Line
Die Hog-Line ist vor dem Haus quer über das Spielfeld gezeichnet.
Steine, welche diese Linie nicht überqueren, werden aus dem Spiel
genommen.
Das Spielfeld selbst wird ein wenig anders hergestellt, als ein
Eishockeyfeld. Zunächst werden die Linien und Kreise auf den Boden
gemalt oder getackert. Danach kommt eine Eisschicht darüber. Ist
diese fest, sprüht der Eismeister meist warme Wassertröpfchen ganz
fein auf die Eisschicht. Dadurch werden Noppen gebildet, ähnlich
einem Lego-Stein. Dies führt dazu, dass die Steine in die „curlende“
Bewegung hineinkommen. Durch entsprechendes Wischen platzen diese
Noppen auf und beeinflussen die Richtung des Steines. Daher kann sich
ein Spielfeld im Laufe des Spiels abnutzen und sich die
Geschwindigkeit und Richtung der Steine verändern. Das Team muss
daher immer die Eigenschaften im Blick haben, um darauf reagieren zu
können.
2. Die Ausrüstung
Die verwendeten Spielsteine sind meist aus Granit gefertigt. Unter
dem Stein ist ein Hohlraum geschliffen, weswegen der Stein lediglich
eine Ring als Lauffläche besitzt. Er wiegt zwischen 17,24 und 19,96
Kilogramm. Auch die Preise können unterschiedlich sein. Steine mit
geringerer Qualität sind schon für 450 Euro erhältlich. Steine,
die bei den Olympischen Spielen hingegen zum Einsatz kommen, können
schon mal 1.600 Euro das Stück kosten.
Die Steine besitzen an der Oberfläche einen Griff, mittels dem sie
von den Spielern angeschoben und in die curlende Bewegung versetzt
werden.
Weiterhin sind die Wischbesen elementar für diese Sportart. In der
Regel wischen zwei der Spieler mit dem Besen mit dem
Kunststoffborsten auf dem Eis entlang, um entsprechend Steine zu
verschieben. Durch das Wischen erhitzt sich das Eis, die Noppen
platzen auf, und es entsteht ein Film, auf dem der Stein entlang
gleitet. Des Weiteren wird der Besen oftmals verwendet, um die
Richtung anzuzeigen, in die der Stein gespielt werden soll.
Da Curling ursprünglich eine Freiluftsportart war, diente der Besen
dort in erster Linie, um die Eisfläche von Schmutz, wie Blättern
oder sonstigen Gegenständen zu säubern. Doch auch heute noch wird
durch die Wischbewegung das Eis sauber gemacht und Verschmutzungen in
der Eisfläche gereinigt.
3. Die Spieler/Mannschaft
Eine Mannschaft besteht aus insgesamt vier Spielern, die nach
Positionen benannt sind: Leader, Second, Third, Fourth. Einer dieser
vier Spieler ist zudem noch der Kapitän, der Skip genannt wird.
Dieser zeigt die Richtung der zu spielenden Steinen an und verteilt
Wischkommandos. Jeder der vier Spieler spielt zwei Steine.
4. Das Spiel
Ziel des Spiels ist es, mehr Steine bzw. besser positionierte Steine
als der Gegner im Haus zu besitzen. Hierfür dürfen auch die Steine
des Gegners aus dem Haus gestoßen werden. Wer am Ende die meisten
Punkte hat, ist Sieger.
Ein Spiel selbst besteht in der Regel aus 10 Ends. Dabei steht jedem
Team ein Zeitlimit von 75 Minuten (73 Minuten zum Spielen der Steine,
2 Minuten Auszeit) zur Verfügung. In einem End spielt jede
Mannschaft 8 Steine. Steht es nach 10 gespielten Ends immer noch
unentschieden, wird ein elftes gespielt, in welchem der Sieger
ermittelt wird. Hierfür stehen jedem der Teams nochmals zusätzlich
10 Minuten zur Verfügung. Wer diese Zeit überschreitet, verliert
automatisch das Spiel, ganz gleich, ob die Mannschaft in Führung lag
oder nicht.
Nuller-End und letzter Stein
Wer die Tage Curling verfolgt hat, wird oft feststellen, dass es
immer um den ominösen letzten Stein geht, der in einem End gespielt
werden kann. Die Mannschaft, die dieses Recht besitzt, ist dadurch in
der Lage, mit dem letzten Stein noch entsprechende Punkte zu machen
oder Steine im Haus zu bewegen.
Zu Beginn des Spiels wird ausgelost, welche Mannschaft im ersten End
dieses Recht besitzt. Im Laufe des Spiel bekommt immer diejenige
Mannschaft dieses Recht, die das vorherige End verloren hat.
Es kann vorkommen, dass in einem End keine Punkte gemacht werden.
Befinden sich nach acht gespielten Steine keine im Haus, so nennt man
dies ein Nuller-End. Keine der Mannschaften bekommt Punkte. Auch das
Recht des letzten Steines wird nicht gewechselt.
Punkte bekommen
Wie bekommt man jetzt aber Punkte gut geschrieben?
Für jeden Stein, der im Haus liegt oder dessen Linien berührt, und
besser positioniert ist, als der gegnerische Stein, gibt es einen
Punkt. Auch wenn der Gegner mehr Steine im Haus platziert hat, wird
doch der Stein gewertet, der am besten positioniert ist.
Besondere Steine
Während des Spielverlaufs tauchen bestimmte Steine immer wieder auf.
Zum einen gibt es den Schutzstein, den Guard. Dieser ist so gelegt
worden, dass er einen anderen, eigenen Stein beschützt. Der Guard
liegt meist vor dem Haus, um den im Haus befindlichen Stein zu
schützen. Hierbei soll es dem Gegner erschwert werden, den eigenen
Stein aus dem Haus zu befördern.
Weiterhin kommt das sogenannte „Take-Out“, bzw. „Double-Take-Out“
immer wieder vor. Ein Take-Out ist ein sehr schnell gespielter Stein,
der versucht einen gegnerischen Stein aus dem Haus zu befördern,
meist so, dass der eigene Stein noch im Haus liegen bleibt (und
gegebenenfalls Punkte erzielt).
Doch warum fasziniert diese Sportart so sehr? Kaum jemand würde ich
vermutlich die Curler in der Bundesliga anschauen. Doch bei
Olympischen Spielen bringen Fernsehanstaltungen zig Stunden dieser
Sportart. Zunächst wirkt Curling fast als Gegenpol zu den anderen
hektischen und schnellen Entscheidungen. Bei den meisten Sportarten
geht es um Zehntel, Hundertstel oder gar Tausendstel. Immer
schnellere Bestzeiten müssen erbracht werden. Im Curling können
Steine hingegen mit ruhiger Hand gespielt werden. Die Mannschaften
können sich vorher beraten und entsprechend agieren. Doch trotz
dieser fast ruhigen Spielweise, ist die Sportart hochkomplex. Die
Spieler müssen stets den Zustand des Eises im Blick haben. Müssen
einschätzen können, wie sich die Steine verhalten und müssen die
Steine auch an die gewünschte Position spielen. Es geht dabei auch
um Teamgeist, können doch die Wischer zusätzlich die Laufbahn des
Steins verändern. Die Sportart, die auch als „Schach auf Eis“
bezeichnet wird, erfordert ein Höchstmaß an Präzision und
Raffinesse. Vor allem der Reiz, komplexe Situationen innerhalb des
Hauses doch noch mit dem letzten Stein auflösen zu können, ziehen
Zuschauer in den Bann von Curling. Oftmals sind die Partien recht
ausgeglichen. Und selbst wenn eine Mannschaft in Führung liegt, kann
nicht davon ausgegangen werden, dass diese Führung auch bis zum Ende
bestand hat. Ebenso dürfte die Art und Weise, wie die Steine
gespielt werden, einen gewissen Reiz ausüben. Die Steine laufen
nicht linear in Richtung des Hauses, sondern beschreiben einen
Parabelbogen. So drängen sich dem Zuschauer, während der Stein auf
seiner Reise ist, zahlreiche Fragen auf: Wo bleibt der Stein liegen?
Kollidiert er mit einem anderen Stein? Wie verändert sich die
Situation im Haus? Hat der Stein die richtige Geschwindigkeit oder
bleibt er auf der Strecke liegen, bzw. schießt über das Ziel
hinaus? Durch eine Bahn von über 40 Metern bleibt da durchaus
einiges an Zeit, im Schnitt 10+x Sekunden, um darüber zu
philosophieren.
Des Weiteren hat der Zuschauer die Möglichkeit, in die Gesichter der
Sportler zu schauen. Bei anderen Sportarten verdecken Brillen und
Helme meist die Gesichert. Beim Curling haben die Kameramänner
genügend Zeit und auch gute Positionen, um Nahaufnahmen von
Gesichtern zu zeigen. Auch hier wird die Denkweise des Zuschauers
wieder angeregt: Wie sieht der Spieler aus? Trägt er ein Pokerface?
Was verraten die Augen über den nächsten Spielzug?
Ebenso gibt es zahlreiche Spiele. In der Round Robin, so wird die
Vorrunde genannt, spielt jede Nation gegen die andere. In Sotchi
waren es neun Spiele in neun Tagen. Zum Teil sogar zwei Partien an
einem Tag. Der deutsche Skip, John Jahr, meinte aber hierbei, dass
zwei Spiele kein Problem wären, würde es bei einem doch ein wenig
langweilig den Tag über werden.
Doch ich denke, dass vor allem die Probleme im Haus den Zuschauer in
seinen Bann ziehen. Dort zeigt sich, wie gut ein Spieler wirklich
ist, in dem er schier unlösbare Probleme doch noch auflösen kann.
Der oben erwähnte, ominöse letzte Stein kann hier Spiele
entscheiden und Wendungen herbeiführen.
Allerdings, und sehr zum Bedauern für die Sportler und die Sportart,
wird diese nun, nachdem die Spiele beendet sind, kaum mehr Beachtung
finden. Selbst Weltmeisterschaften werden kaum wahrgenommen. Dies ist
vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass das deutsche Team um
John Jahr kaum konkurrenzfähig mit den großen Nationen ist. Ebenso
gibt es, im Gegensatz zu Handball- oder Fußballvereinen, nicht um
jede Ecke einen Club, an dem man dieser Tätigkeit nachgehen kann.
Das deutsche Team beispielsweise hat seinen Sitz in Hamburg.
Trotzdem darf sich diese Sportart bereits auf die nächsten Spiele
2018 freuen. Denn auch dort wird es mit Sicherheit wieder ein großes
Publikum geben, welches sich die Spiele vor dem heimischen Fernseher
anschauen wird. Und wer weiß? Vielleicht findet ja doch der eine
oder andere noch seinen Weg zu einem Curlingverein, bzw. vielleicht
findet ja auch bald außerhalb der Spiele vermehrt Interesse an einer
Sportart, die in Kanada bereits einen Stellenwert wie Eishockey
besitzt.
Für alle, die sich weiter über diesen Sport informieren möchten,
habe ich noch ein paar Links zusammen gestellt, die ich noch kurz
erklären werde.
http://www.curlingbasics.com/
→ Informative Seite, auf der nicht
nur Regeln und Grundwissen zu finden ist, sondern es auch noch
zahlreiche Animationen zu gespielten und spielbaren Steinen gibt.
http://www.cckd.ch/Instruktion.pdf
→ Die wichtigsten Regeln sind hier
mit Bildern erklärt. Leicht verständlich, aber doch lehrreich.
http://www.ccflims.ch/index.php?id=157
→ Ähnlich wie beim ersten Link,
finden sich auch hier weitere Steine, die gespielt werden können.
Allerdings nur in Bild, ohne Animation.
http://www.curling-dcv.de/start.html
→ Homepage des Deutschen Curling
Verbandes, mit nützlichen Hinweisen und Informationen zu den
deutschen Curlingclubs