Das Olympische Komitee
versucht bei jeden Olympischen Spielen mit der Zeit zu gehen und
Sportarten und Disziplinen entsprechend zu gestalten. Dazu gehört
auch, dass Frauen zu Sportarten Zugang erhalten, der vorher
ausschließlich Männern vorbehalten war. In Sotchi steht nun zum
ersten Mal das Skispringen für die Frauen im Programm der
Olympischen Spielen.
Martin
Schmitt, Sven Hannawald, Adam Malysz, Janne Ahonen. Das alles sind
Namen, die auch jenen bekannt sind, die sich nicht intensiv mit der
Sportart Skispringen beschäftigen. Alle vier zeichnen zahlreiche
Medaillen und Titel aus, die sie und ihre Sportart immer bekannter
werden ließen. Doch kaum jemand kennt Menschen, wie Lindsey Van,
Ulrike Gräßler und Anette Sagen. Diese drei stellen aber immerhin
das erste Podest im Skispringen der Frauen bei einer
Weltmeisterschaft dar. Sie sind damit Vorreiterinnen für eine
Disziplin, die, ähnlich dem männlichen Pendant, immer bekannter zu
werden scheint.
Mittlerweile
haben sich die Namen auf den Podien geändert. Sara Takenashi
dominiert den Weltcup nach belieben. Für Deutschland hat Carina Vogt
die nationale Spitzenposition übernommen. Gräßler (aktuell 16. im
Weltcup), Van (30.) und Sagen (43.) wurden abgelöst. Diejenigen, die
dazu beitrugen, dass der Sport in ihren Ländern an Bekanntheit
gewinnt, sind ausgerechnet zu dem Sportereignis in der Nebenrolle:
Den Olympischen Spiele. Dabei zeigt sich, dass die Disziplin jung
ist. Iraschko-Stolz war mit 29 einer der ältesten im Olympischen
Wettbewerb; bei den Herren ist Noriaki Kasai mit über 40 immer noch
aktiv. Für Deutschland war unter anderem Gianina Ernst am Start; mit
gerade einmal 15 Jahren.
Die
Frage ist nun: Können die Damen überhaupt einen Wettbewerb bieten,
der nicht nur spannend, sondern, was im Skispringen eine große Rolle
spielt, auch ästhetisch mit ihren männlichen Kollegen mithalten?
Alles andere als „ja“ wäre bei dieser Frage gelogen. Zwar muss
fehlende Sprungkraft in den Beinen durch einen längeren Anlauf
kompensiert werden. Trotzdem macht Frauen-Skispringen Spaß. Dies
verdeutlichte noch einmal der Wettkampf bei den Olympischen Spielen.
Vor allem Deutschland dürfte hierbei als strahlende Nation aus dem
Wettkampf hervorgehen.
Carina
Vogt trägt sich als erste Olympiasiegerin in dieser Sportart in die
Geschichtsbücher ein. Eine deutsche Einzelmedaille gab es zuletzt
2002 mit Sven Hannawald; die letzte Goldmedaille datiert gar aus dem
Jahr 1994, als Jens Weißflog in Lillehammer triumphieren konnte. Und
nun Carina Vogt. Mit einem starken ersten Sprung sicherte sie sich
die Grundlage für diesen Erfolg; auch wenn es am Ende durchaus
nochmal spannend wurde. Und wie verrückt Olympische Spiele laufen
können, hat sich auch bei Sara Takenashi gezeigt: Mit 10
Saisonsiegen war sie die Favoritin auf Gold; und holte am Ende „nur“
den vierten Rang. Stattdessen konnte Daniela Iraschko-Stolz mit einem
noch überragenden zweiten Satz von Platz 6 auf Rang 2 vorspringen.
Der Zuschauer sah nicht nur weite Sprünge, sondern auch zahlreiche
schöne Flüge. Nicht nur bezogen auf die Weite. Auch die Haltung im
Flug unterschied sich in keinster Weise von den Herren der Schöpfung.
Deutschland
als Sportnation hat solch einen Schub gebraucht. Zumindest hoffe ich,
dass dieser Sieg einen Schub auslösen wird. Seit Jahrzehnten sind
die Springen der Männer fester Bestandteil des Fernsehprogramms,
obwohl die Leistungen viel zu oft durchwachsen sind. Zu Zeiten von
Hannawald und Schmitt gab RTL gar Millionen aus, um sich die
Übertragungsrechte für Vier-Schanzen-Tournee und
Weltmeisterschaften zu sichern. Doch die springenden, fliegenden,
Frauen spielten kaum eine Rolle. Wenn überhaupt, gab es
Zusammenfassungen von Springen. Stattdessen liegt der Fokus auf den
Herren, die nicht immer ihrer Favoritenrolle gerecht werden. Da gerät
völlig außer Acht, dass Vogt nicht nur auf Rang 2 im Gesamtweltcup
liegt, sondern auch bereits 8 Podestplätze geholt hat. Und nun den
Sieg bei Olympia. Es liegt nun an den Fernsehanstalten, diese „neue“
Sportart auch entsprechend zu fördern und zu übertragen. Nicht nur
sporadisch, sondern regelmäßig.
Doch
nicht nur die Fernsehsender tragen diese Verantwortung. Auch die
internationalen Komitees müssen nun handeln.
Denn
der erste Schwachpunkt offenbart sich schon beim Blick auf das
Olympische Programm. Während die Herren mit dem Wettbewerb auf der
Normalschanze, der Großschanze und dem Teamspringen von der
Großschanze gleich drei Mal an den Start dürfen, steht für Vogt
und Co. lediglich ein Wettkampf von der Normalschanze auf der Liste.
Keine Großschanze, kein Teamwettbewerb.
Vor
allem, da sich bei Weltmeisterschaften der Mixedwettbewerb mit je
zwei Frauen und zwei Männern etabliert hat. Während diese Disziplin
beim Biathlon zum Olympischen Programm gehört, fehlt er für das
Skispringen bisher noch. Für die Sportart wäre es wichtig, dass
diese Disziplin den Weg ins Olympische Programm findet. Und zwar
schon für die Spiele 2018.
Ebenso
finden sich kaum Wettbewerbe auf einer Großschanze. Im Weltcup
werden gar nur zwei Springen von einer K134 (Oslo), bzw. K139
(Planica) ausgetragen. Hierbei wäre es nicht nur für den Zuschauer
ein Erlebnis. Vielmehr hätten auch die Damen hier eine Möglichkeit,
um weit fliegen zu können. Dieses Gefühl kann bei einer
Normalschanze kaum auftreten. Um so wichtiger wäre es, dass
Großschanzen aufgenommen werden. Zahlreiche Athletinnen, wie Vogt,
äußerte entsprechende Wünsche bereits. Warum dies noch nicht
passiert ist, erschließt sich mir nicht. Es kann hier auch nicht von
fehlender Erfahrung oder zu großer Sicherheit gesprochen werden.
Dieses Risiko besteht auch bei den Herren, wenn Teilnehmer aus
Ländern, wie Rumänien und Bulgarien antreten.
Dass
ein Teamwettbewerb momentan auf Grund fehlendem Personal noch nicht
möglich ist, klingt für mich plausibel. Österreich ist sicherlich
ein Land der Skispringer. Trotzdem waren „nur“ drei weibliche
Teilnehmerinnen am Start. Lediglich Slowenien und Deutschland hätten
mit je vier Springerinnen einen Teamwettbewerb durchführen können.
Trotzdem gab es neun Nationen, die mindestens zwei Springerinnen
dabei hatten. Ein Mixedwettebewerb wäre hier durchaus möglich
gewesen.
Doch
die Spiele sind in dieser Hinsicht schon entschieden. Es bleibt hier
die Hoffnung, dass entsprechende Veränderungen für 2018
aufgegriffen werden.
Aber
nicht nur im Olympischen Programm bedarf es dieser Veränderungen.
Wie erwähnt finden lediglich zwei Wettbewerbe auf einer Großschanze
statt. Skifliegen ist generell nicht im Programm. Doch auch die
Tatsache, dass nur ein Mixed-Wettkampf ausgetragen worden ist, zeigt,
dass hier großes Potential nicht genutzt wird. Eben jene
Veränderungen wünschen sich die Skispringerinnen, wie auch Carina
Vogt betonte. Dadurch wäre es möglich, im Windschatten ihrer
männlichen Kollegen in die Aufmerksamkeit zu springen und neu in den
Fokus zu kommen. Dass diese Disziplin auch den Athleten Spaß macht,
steht hier außer Frage, lassen sich doch sportartenübergreifend
ähnliche Empfehlungen lesen.
Ich
persönlich hoffe und wünsche es mir, dass die FIS hierbei für die
nächste Saison reagiert und den Weltcup entsprechend anpasst. Im
Sinne des Sportes, im Sinne der Zuschauer, im Sinne der Athletinnen.
Was
bleibt also noch über die Olympiasiegerin zu sagen?
Ich
habe wirklich bewusst seit 2002 die Spiele verfolgt (unbewusst schon
ab 1998). Ich hatte mich damals tierisch über das Mannschaftsgold im
Skispringen gefreut, als Martin Schmitt mit 130 Metern genau die
Weite erzielte, die reichte, um mit 0,1 Punkt Vorsprung zu gewinnen.
Für mich heute noch ein absoluter Gänsehautmoment. Doch auch Vogts
Sieg gehört für mich in diese Kategorie. Eben weil sie nicht die
Favoritin schlechthin war. Eben weil sie die erste war, die
Olympiasiegerin wurde. Eben weil es so spannend war. Da bedauere ich
es fast, dass es nur diesen einen Wettkampf gibt. Es hat mir großen
Spaß gemacht dieses Springen zu verfolgen. Ich hatte nicht nur eine
Gänsehaut, sondern im Moment, als die „1“ aufleuchtete Tränchen
in den Augen. Das war ein ganz besonderer Olympiamoment für mich.
Carina Vogt ist eine verdiente Olympiasiegerin und ich hoffe, dass
sie weiterhin eine Rolle im Weltcup spielen wird.
Und
für alle, die den Siegsprung nochmals oder erstmals sehen
möchten, gibt es hier noch das Video: Link
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