Der Handball wird ja in Deutschland immer wieder an zweiter Position der beliebtesten Ballsportarten, hinter Fußball, aufgelistet. Doch in den letzten Wochen wackelt dieser Platz doch sehr. Immer wieder ist der deutsche Handball in den Medien. Dabei lassen sich aber nur wenige positive Artikel finden.
In einem vorherigen Artikel bin ich ja auf die Thematik um den Bundestrainer eingegangen, die ja auch noch lange nicht beendet ist. Doch vor allem die Geschichte um die Lizenzvergabe des HSV Handball war in den letzten Wochen das Gesprächsthema schlechthin. Dabei hat sich gezeigt, dass die HBL nicht unbedingt ein gutes Händchen bewiesen hat. Aber der Reihe nach.
Wer schlecht wirtschaftet, bekommt keine Lizenz. Zugegeben: Ganz so einfach ist es im Sport dann doch nicht, kann doch ein Club weiterhin unter Auflagen weiterspielen. Da steckt noch einiges mehr dahinter, als nur die bloßen Zahlen über Gewinn, Verlust und Umsatz. Und trotzdem kommt es auf diese Zahlen eben auch an. Denn wenn ein Verein über Jahre hinweg unwirtschaftlich arbeitet, kann er nicht am Spielbetrieb teilnehmen. Dies hat nun den HSV Handball getroffen, der letztes Jahr immerhin die Champions League gewonnen hatte. Martin Schwalb wurde schon als Bundestrainer gesehen, weil er eben verfügbar war. Der Ausverkauf der Stars war eröffnet.
Doch mehr noch: Plötzlich freuten sich zwei andere Mannschaften. Nämlich die HBW Bahlingen-Weilstätten und die HG Saarlouis. Denn beide hätten sich dadurch in der jeweiligen Liga halten können, trotz sportlichem Abstieg. Nun heißt es für Bahlingen runter in Liga zwei und für Saarlouis ab in Liga drei.
Denn: Die Verantwortlichen des HSV wollten den Lizenzentzug nicht auf sich sitzen lassen und gingen in Revision. Bis nun ein Urteil gefällt wurde, welches überrascht. Die Lizenz wird doch wieder vergeben, die Mannschaft darf am Spielbetrieb teilnehmen und muss keinen Neustart in der dritten Liga machen. Frei nach dem Motto "alle guten Dinge sind drei", hat es also im dritten Anlauf mit der Lizenz geklappt. Der HSV Handball bleibt trotz aller Misswirtschaft erstklassig.
Die Fans und die Mannschaft freut dies sicherlich sehr. Doch Bahlingen und Saarlouis haben ihre Entrüstung bereits kund getan. Allerdings steckt aus meiner Sicht (und auch aus der Sicht zahlreicher "Insider") noch etwas anderes dahinter. Es geht um Misswirtschaft. Der Verein hat so viele Schulden angehäuft, dass Gehälter nicht bezahlt worden sind.
Die Frage, die man sich unweigerlich stellt, ist folgende: Was wäre im gleichen Fall, nur mit umgekehrten Vorzeichen passiert? Nehmen wir an, der HSV Handball hätte den Abstieg nicht vermeiden können und die HBW Bahlingen hätte dieses Lizenzverfahren am Hals? Würde ein weniger prominenter Club ebenfalls diese Zustimmung bekommen? Schwer zu sagen, doch gab es bereits andere Vereine, denen dieser Gang nicht erspart blieb. Ich denke da zum Beispiel an HSG Nordhorn (heute HSG Nordhorn-Lingen), die 2008 nicht nur den EHF-Pokal gewannen, sondern auch den Zwangsabstieg auf Grund gleicher Voraussetzungen nicht vermeiden konnten.
Der Handball in Deutschland steht vor einem kritischen Punkt. Nicht nur die verpassten Qualifikationen und die Thematik um den Bundestrainer setzen der Sportart zu. Auch solche Entscheidungen sorgen dafür, dass der Handball in Deutschland das Gesicht verliert und an Seriosität einbüßt. Es ist nicht leicht hinter dem allgegenwärtigen Fußball im Fernsehen und den anderen Medien Fuß zu fassen. Da muss eben um jeden Cent gekämpft werden. Trotzdem gibt es Spielregeln, an die man sich zu halten hat. Und wenn dann ein prominenter Club davon betroffen ist, dann muss auch er die Konsequenzen tragen.
Auch wenn ich es aus sportlicher Sicht gut finde, dass Hamburg wieder mitmischen darf. Schließlich bringt das Abwechslung und Spannung rein. So sind mit dem THW Kiel, den Rhein-Neckar-Löwen, der SG Flensburg-Handewitt, den Füchsen Berlin und auch dem HSV zahlreiche Vereine in der Bundesliga, die Titelaspiranten sind. Die Spannung hat man nicht zuletzt in der vergangenen Saison gesehen, als nur wenige Tore den Meister ausgemacht haben.
Trotzdem bleibt es dabei, dass diese Vereine auch Wirtschaftsunternehmen sind. Es gilt mit dem Budget bestmöglich haushalten zu können. Und wenn dann Einbußen zu verzeichnen sind, muss man reagieren. Die Rhein-Neckar-Löwen haben das vorgemacht. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Ich wünsche mir wirklich, dass der HSV hier die Kurve bekommt. Denn ich will mir nicht vorstellen, was passiert, wenn wir uns in einem Jahr in der gleichen Situation befinden. Dann werden die anderen Clubs nicht nur ein paar Worte dazu sagen, sondern mit Fackeln und Mistgabeln bei der HBL klingeln. Vor allem diejenigen, die wirtschaftlich solide arbeiten und als Konsequenz absteigen müssen. Es wäre wirklich fatal, wenn der Club in einem Jahr sich genau dort befindet, wo er heute steht. Damit wäre die HBL kaum mehr ernst zu nehmen. Das Image des deutschen Handballs steht hier auf dem Spiel.
Doch die Sache geht ja noch weiter. Wie oben erwähnt, hätte Bahlingen nun in die zweite Liga absteigen müssen. Sportlicher Absteiger ist schließlich sportlicher Absteiger. Dieser Satz hat dann aber doch nur eine begrenzte Gültigkeit. Der Verein ging ebenfalls vor Gericht mit der Begründung, man habe fest mit Liga 1 geplant und dementsprechend keine Vorbereitungen für die Unterklassigkeit getroffen. Budget, Spieler, Verträge - alles ist auf die erste Liga ausgerichtet, da der HSV ja bisher keine Lizenz hatte. Also sprach man Bahlingen das Recht zu in der höchsten Liga antreten zu dürfen - ungeachtet, ob der HSV die Lizenz bekommt oder nicht. Nun, Hamburg hat die Lizenz bekommen.
Ja, die Probleme häufen sich jetzt doch sehr. Denn aus vormals 18 Mannschaften wurden nun 19. Wie jeder feststellen kann, ist diese Zahl nicht durch zwei teilbar. Bedeutet, dass eine Mannschaft pro Spieltag spielfrei haben wird. Allerdings geht das noch viel weiter.
Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Wir befinden uns beim letzten Spieltag. Zwei Mannschaften können noch Meister werden. Allerdings hat eine der beiden spielfrei. Kann also nicht aus eigener Kraft mitentscheiden, ob sie Meister wird oder nicht. Die Jungs müssen vorm TV sitzen und hoffen, dass sie das irgendwie schaffen. Da hilft dann kein eigenes Tor, sondern nur Daumen drücken und hoffen. Gleiches gilt natürlich auch für den Abstiegskampf. Man nehme nur eine Mannschaft, die auf Platz 15 vor dem letzten Spieltag liegt und damit den nicht-Abstieg vermieden hätte. Jetzt hat diese Mannschaft spielfrei und muss vom Sofa aus zusehen, wie sie auf Rang 16 rutscht und plötzlich doch absteigt - auch ohne eigenes Zutun und ohne die Möglichkeit einzugreifen. Man könnte nun sagen, dass man dann eben am letzten Spieltag einer Mannschaft freigibt, die weder Meister machen kann, noch ein Abstiegskandidat ist. Kann man aber nicht. Denn wer kann schon behaupten, wie sich die Saison entwickelt. Plötzlich ist eine Überraschungsmannschaft, die vorher hierfür in Frage gekommen wäre, ein Titelkandidat. Im Sport kann sehr viel unvorhergesehenes passieren.
Aber wir das Ende der Fahnenstange ist ja noch nicht einmal in Sichtweite. Denn wir haben bisher ja noch gar nicht die Champions League betrachtet. Für diese wurde zur Saison 2015/16 eine neue Reform beschlossen - mehr Teams sollen an den Start gehen. Und mehr Teams bedeutet auch gleichzeitig mehr Spiele. Bis zu dieser Saison braucht eine Mannschaft um den Pokal zu holen 16 Spiele: 10 in der Vorrunde (6er Gruppe, Hin- und Rückspiel), je zwei im Achtel- und Viertelfinale (Hin- und Rückspiel), dann noch eines im Halbfinale und das Finale selbst. Ab 2015/16 kann es durchaus vorkommen, dass eine Mannschaft 22 Spiele dafür braucht. Das sind mal eben 6 Spiele mehr. Addiert man die zwei zusätzlichen aus der Bundesliga dazu, müsste eine deutsche Mannschaft in der Champions League 8 Spiele mehr als bisher bestreiten. Da sind dann die Spiele bei der Nationalmannschaft, egal ob WM, EM oder Freundschaftsspiel, nicht mit eingerechnet.
Und es ist ja nicht so, als wäre die Diskussion mit der Belastung im Handball neu. Seit Jahren wird darüber nun diskutiert - aber scheinbar ändert sich nichts. Als kleine Anmerkung: Bei einer WM spielt eine Mannschaft in der Vorrunde fünf Spiele in sieben Tagen. Da ist nicht viel mit Pause, wie im Fußball. Aber die HBL stockt nun auf 19 Vereine auf. Allerdings sind wir immer noch nicht am Ende. Denn die Frage, wie das ab der übernächsten Saison aussieht, ist noch gar nicht geklärt: Wie viele Mannschaften werden dann in der ersten Liga spielen? Reduziert man wieder auf 18? Wenn ja, wie? Erhöht man vielleicht sogar auf 20 und sorgt dann dafür, dass es wieder zwei Spiele mehr pro Saison werden? Und wie geht es eigentlich mit dem HSV weiter?
Für mich ist das eine sehr bedenkliche und auch fragwürdige Entwicklung. Der Handball hat momentan große Probleme in Deutschland. Doch man selbst muss sich das Leben unnötig schwer machen. Es grenzt schon fast an Willkür, was die Herren dort veranstalten. Allein das Hickhack um die Lizenz hat einen Schatten über den Handball geworfen. Dann weitere Spiele, bei denen noch unklar ist, wie man die unterbringen soll, weil ja der Spielplan für 18 Mannschaften schon entworfen worden ist. Ebenso die Frage, wie es nach dieser Saison weiter geht. Das sind alles Dinge, die man hätte vermeiden müssen. Wenn ein Club vier bis fünf Millionen an Schulden hat (manch ein Bundesligist hat solch einen Etat für eine ganze Spielzeit nicht), und die nur tilgen kann, weil ein Gönner wieder Geld in den Verein pumpt, dann läuft da was falsch. Es gibt Auflagen, die zu erfüllen sind. Beim HSV war dies nicht der Fall. Also wäre der Abstieg die logische Konsequenz gewesen. Da hätte es gar keine andere Alternative geben dürfen. Dann wäre auch die Situation mit den 19 Clubs nicht entstanden, sowie die Probleme, die danach auftauchen. Ich weiß, dass es der Handball in Deutschland nicht leicht hat. Aber das heißt noch lange nicht, dass aus Regeln eher Richtlinien werden, an die man sich halten kann, wenn es denn gerade passt. Und ich rede hier nur von der Bundesliga. Was die Champions League betrifft ist das noch einmal ein ganz anderes Thema, welches aber auch nicht gerade glücklich zu werden scheint. Ich würde mir echt Leute in verantwortlichen Positionen wünschen, die da endlich mal das Geschäft wieder zum Laufen bringen. Da fehlt es doch auch irgendwo am Blick für die Zukunft. Nächstes Jahr um die Zeit müssen Probleme gelöst werden, die die letzten Wochen entstanden sind, aber nicht hätten entstehen müssen. Und ich bezweifel, dass sich der deutsche Handball da schadlos aus der Affäre ziehen kann. Die HBL steht kurz davor sich lächerlich zu machen, wenn sie dies mit dem Urteil über den HSV nicht bereits getan hat. Es kann nicht sein, dass Vereine bei gleicher (oder vergleichbarer) Situation unterschiedlich behandelt werden. Und wir reden hier nicht vom Spiel, sondern von den äußeren Bedingungen.
Ich hoffe wirklich und würde es dem deutschen Handball wünschen, dass sich diese Situation bestmöglich auflösen lässt. Es wäre wirklich sehr schade, wenn das Image dieser Ballsportart derart beschädigt wird, dass sie aus den Medien verschwindet. Ich würde mir wünschen, dass das auch die Verantwortlichen sehen und entsprechende Reaktion zeigen. Und dass diese grauenhafte Situation, die wir im Moment haben, endlich überwunden wird. Es ist echt erschreckend zu sehen, wie sich der Sport vom WM-Titel 2007 bis heute entwickelt hat. Nach einem Hoch folgte nun den brutalsten Abstieg den man sich vorstellen kann. Hoffentlich folgen danach auch wieder Höhen.