Sonntag, 20. Juli 2014

Selfie-Wahn bei der Tour de France

Die us-amerikanische Sängerin Taylor Swift schrieb unlängst in einem Artikel, dass Selfies die neuen Autogrammkarten sind. Fans wollten vielmehr ein Bild mit ihrem Star, als die Unterschrift. Bei der diesjährigen Tour de France nimmt dies aber Züge an, die nicht mehr vertretbar sind.

Zugegeben: Stürze hat es bei der Frankreich-Rundfahrt schon immer gegeben. Diese wurden aber meist von den Fahrern selbst verschuldet. Anders in diesem Jahr. Immer mehr Selfie-Jäger drängen auf den Plan, um ein Foto von sich und ihrem Star zu schießen. Dass dabei keine Grenzen eingehalten werden, zeigen zahlreiche Stürze von Top-Athleten. Einer, dem durchaus Chancen auf den Gesamtsieg zugetraut worden ist, ist wohl das prominenteste Opfer.

Die Rede ist von Andy Schleck. Seines Zeichens Sieger der "Großen Schleife" aus dem Jahr 2010, als der eigentliche Sieger, Alberto Contador, wegen Dopings disqualifiziert wurde und der zweitplatzierte Schleck nachrückte. Der Luxemburger hatte das Pech und stieß mit solch einem Selfie-Jäger zusammen. Das Ergebnis: Doppelter Kreuzbandriss, sowie Außen- und Innenbandriss im rechten Knie. Des Weiteren noch einen Meniskusriss und eine Knochenläsion. Das ist alles andere, als eine Schürfwunde. Das heißt zunächst einmal mehrere Monate lang Pause. Und dann bleibt die Frage, ob der in letzter Zeit eh schon schwächelnde Schleck wieder auf Topniveau kommt. Alles das Resultat eines verrückten Trends.

Einige Fahrer im Feld, meldeten sich bereits zu Wort. Tejay van Garderen (BMC) äußerte sich auf Twitter, dass dies ein "Mix aus Selbstgefälligkeit und Dummheit" sei. Der mehrfache Zeitfahrweltmeister Fabian Cancellara forderte "mehr Rücksicht und ein Eingreifen der Tour-Organisation".

Doch genau da kommt das Problem her. Denn die Organisation hat die Zuschauer aufgefordert, über einen bestimmten Hashtag Selfies von sich und den Fahrern zu posten. Allerdings mit der Einschränkung, dass dies nur am Start und am Ziel, wenn keine Gefahr mehr ausgeht, weil das Peloton still steht. Diese Einschränkung wird dann aber von manchen Zuschauern gekonnt ignoriert. Vielmehr wird es als Einladung gesehen, das bestmögliche Foto zu schießen. Dabei wird dann auch das Betreten der Straße bewusst in Kauf genommen. Ebenso die Tatsache, dass dadurch Fahrer gefährdet werden können, weil der Platz eben geringer wird. Des Weiteren spielt auch das Renngeschehen an sich keine Rolle mehr. Da das Feld nur wenige Sekunden sichtbar ist, geht die ganze Zeit drauf, um solch ein Bild zu machen. Der Sport gerät zur Nebensache. Es hat sich ein Event beim Event entwickelt, bei dem die eigentliche Sache nur der Mittel zum Zweck ist.

Im Internet stoßen solche Bilder nicht immer auf ein positives Echo. Eine Zuschauerin, die eines dieser Fotos hochgeladen hatte, bei dem sie doch sehr nah bei den Fahrern steht, musste sich ziemlich viele negative Äußerungen anhören seitens der Leser. Sie wieß die Schuld allerdings von sich. Immerhin war die Strecke ja nicht abgesperrt.

Einer der Fahrer soll daher auch einer Zuschauerin, die gerade ein Selfie schießen wollte, das Smartphone aus der Hand geschlagen haben, woraufhin dieses dann auf den Boden fiel. Eine verständliche Reaktion.

Was ist nun von dieser Entwicklung zu halten? Sicherlich nicht viel. Natürlich möchte man Erinnerungsstücke an dieses Ereignis haben. Ganz gleich ob das heute ist, oder vor 60 Jahren. Jeder Zuschauer hat doch gerne ein Bild, um zu zeigen, dass er wirklich dort war. Allerdings reicht es heute wohl nicht mehr aus hinter der Kamera zu stehen. Man muss nun auch davor sein. Und da wird dann billigend eine Verletzung der Fahrer in Kauf genommen. Der Sport gerät ins Abseits. Bei einer Sportveranstaltung sicherlich nicht das Optimum. Es gibt schließlich andere Möglichkeiten, um ein Erinnerungsfoto mit dem Fahrer zu schießen.
Das Problem an den Selfie-Jägern ist aber: Wie will man sie eindämmen? Die komplette Strecke abzusperren ist ein Ding der Unmöglichkeit. Einzig und allein ein Nichtbeachten der geposteten Bilder wäre eine Möglichkeit, um das Ganze einzudämmen. Vielleicht kann auch die Organisation diese Aktion rückgängig machen, um vielleicht doch an die Einsicht des Einen oder Anderen zu appellieren. Ansonsten bleibt da leider nicht mehr viel Spielraum.

Bleibt zu hoffen, dass dieser Trend doch ein wenig zurückgeht und die Zuschauer sich selbst und die Fahrer nicht unnötig in Gefahr begeben. Niemand will eine Sportveranstaltung, bei der die Favoriten keine Siegeschance mehr haben, weil sie von Zuschauern aus dem Rennen genommen werden. Ganz gleich, ob dies nun ein Selfie oder ein unachtsames Überqueren der Straße ist.

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