Alle zwei Jahre
herrscht in Deutschland Ausnahmezustand. Immer wenn ein Großereignis
im Fußball ansteht, wird das komplette Land in schwarz-rot-goldene
Farben getaucht. Überall wehen die Fahnen, die Geschäfte werben mit
unzähligen (und zum Teil unnötigen) Merchandisingprodukten und in
den Medien gibt es nur noch ein Thema. Jedes kleinste Detail wird
versucht zu ergründen. Ex-Weltmeister spekulieren über mögliche
Chancen. Kurzum: Selbst der Anti-Fan streift sich sein
Deutschlandtrikot über. Und wie in den letzten Jahren auch, wird
auch immer die deutsche Nationalmannschaft als möglicher
Titelkandidat gehandelt. Doch in diesem Jahr wird das nichts –
behaupte ich jetzt einfach mal.
Wie kann ich es wagen und
solch eine närrische Aussage tätigen? Deutschland holt nicht den
Titel? Eine Aussage, die schon fast mit Hochverrat gleichgesetzt
wird. Doch für mich gibt es einige Gründe, die gegen einen
möglichen Titel sprechen. Bitte jetzt nicht falsch verstehen: Ich
halte selbstverständlich zur deutschen Nationalmannschaft und würde
mich über einen Titel freuen. Trotzdem ist der WM-Pokal weiter weg,
als je zuvor. Die Gründe hierfür möchte ich in diesem Artikel
aufzeigen.
Grund 1: Die Erwartung
Wenn man die Fans und
auch die Halb-Fans (also jene Fans, die sich nur alle zwei Jahre mit
Fußball beschäftigen) fragt, dann ist WM-Pokal das, was erreicht
werden soll. Doch von Seiten der Nationalmannschaft hält man sich
eher defensiv. Es werden Aussagen getätigt, wie „in Südamerika
konnte noch nie eine europäische Mannschaft Weltmeister werden“
oder „der Druck kommt von außen; wir machen uns keinen“. Für
mich sind solch defensive Aussagen mit der Mannschaft völlig Fehl am
Platz. Klar sind die Bedingungen nicht einfach. Aber wer deutsche
Meister, Pokalsieger und Champions League-Sieger in seinen Reihen
hat, zudem bei Endrunden ins Halbfinale gekommen ist, muss einfach
anders auftreten. Auch wenn es schwer wird, muss der DFB sich
hinstellen und Aussagen, wie „Wir wollen Weltmeister werden!“
sagen. Der Druck muss da sein. Das sind Profispieler, die nicht zum
ersten Mal eine Endrunde spielen. Es kann nicht sein, dass man sich
drückt. Der letzte Titel datiert aus dem Jahr 1996; der letzte
WM-Titel gar aus dem Jahr 1990. Es wird endlich mal wieder Zeit. Und
da müssen sich auch die Offiziellen ganz klar positionieren und
nicht defensiv auftreten. Bisweilen hat dieses Auftreten für mich
auch irgendwo die Einstellung, dass die Mannschaft zum netten Urlaub
Machen nach Brasilien fährt. Das geht so nicht!
Grund 2: Die
Zufriedenheit der Nation
Seit Jahren hat sich das
Public Viewing in Deutschland etabliert. Das geht sogar so weit, dass
Ausnahmeregelungen in Kraft gesetzt werden, damit auch bei der WM in
Brasilien, wo die Spiele zu später Stunde angepfiffen werden, mit
dem ganzen Dorf geschaut werden können. Allerdings macht sich da oft
eine Stimmung breit, die mir als Dauerfußballfan doch sehr
widerstrebt. Sicherlich mag es ein Erfolg sein, wenn man bei einer
WM-Endrunde den dritten Rang belegt. Für Uruguay, Chile oder
Griechenland sicherlich. Auch für eine deutsche Nationalmannschaft
nach der verkorksten EM 2004 war der dritte Platz 2006 ein
fantastisches Ergebnis. Was danach folgte, wer aber weniger
fantastisch. Die „Fans“ sind zufrieden, wenn man gegen England
4:1 gewinnt und gegen Argentinien 4:0. Da darf man dann auch mal
gegen Spanien, die schlagbar waren, 1:0 verlieren und somit den
Finaleinzug verpassen. Das hat für mich nichts mit Erfolg zu tun.
Der Anspruch der deutschen Nationalmannschaft muss stets der
Titelgewinn sein. Insbesondere, wenn man sich die Qualität der
Spieler anschaut. Wir haben mit den qualitätsstärksten Kader von
allen Teilnehmern. Spieler, die Titel gewonnen haben, können nicht
mit dem dritten Rang zufrieden sein. Und bei aller Euphorie, bei
allem schönen Spielen. Am Ende muss etwas Zählbares herauskommen.
Es ist kein Erfolg, wenn man behaupten kann, seit 10 Turnieren immer
ins Halbfinale gekommen zu sein, wenn es am Ende nie der Titel wird.
Mir ist es lieber, die Mannschaft spielt einen weniger schönen
Fußball, gewinnt nur mit 1:0 (wie 2002) und macht am Ende
Weltmeister, als dass sie mit 38:1 Tore ins Halbfinale einziehen und
dann eins auf den Deckel bekommen.
Grund 3: Die Einstellung
der Spieler
Ich hatte letztens das
Achtelfinale der WM 1990, Deutschland gegen die Niederlande, gesehen.
Ich war damals ein Jahr alt und konnte demnach das Spiel nicht
realisieren. Doch wenn ich es heute schaue, wird mir eins klar: Diese
Mannschaft musste Weltmeister werden. Wer dieses Spiel gesehen hat,
der hat den Weltmeister gesehen. Weil die Mannschaft gekämpft hat.
Trotz Platzverweis, trotz miserablem Schiedsrichter. Jeder Spieler
hat geackert, sich für den Nächsten aufgeopfert und bis zur
Erschöpfung gekämpft. Da war ein Guido Buchwald, der auf der „6“
spielte, plötzlich an der Strafraumgrenze und konnte für Jürgen
Klinsmann flanken. Da hat ein Pierre Litbarski als Flügelläufer in
der Abwehr mitgeholfen und den Ball nach vorne geschlagen. Da war der
Wille da, die Leidenschaft.
Und genau das fehlt
heute. Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft nach einem Rückstand
nicht mehr weiß, was sie machen soll. Bestes Beispiel war das Spiel
im Halbfinale der EM 2012 gegen Italien. Balotelli macht 2 Tore und
Deutschland hat keinen Plan, trotz genügend Zeit. Und dass Italien
keine überragende Mannschaft war, hat man an der 4:0 Niederlage
gegen Spanien im Finale gesehen. Das letzte Mal, als die deutsche
Nationalmannschaft gegen einen „Großen“ einen Rückstand
souverän aufholen konnte, war für mich im Viertelfinale der WM 2006
gegen Argentinien.
Es wird nicht
nachgesetzt; verlorene Bälle sind dann eben verloren. Vielleicht
bekommt der Hintermann ja noch den Ball. Wenn die anderen Länder das
wissen, machen die in den ersten 45 Minuten zwei Tore und haben dann
das Spiel gewonnen – übertrieben formuliert.
Ebenso ist die alte
Fußballweisheit „11 Freunde müsst ihr sein“ total überholt. Es
geht nicht darum mit den anderen Freundschaft zu schließen. Die
anderen sind Mitspieler oder besser gesagt „Arbeitskollegen“.
Nicht mehr und nicht weniger. Es geht nicht darum, ein enges Band zu
knüpfen, damit der eine für den anderen noch mehr einspringt. Es
geht einfach darum das zu tun, wofür man bezahlt wird. Die
eingeübten Prozesse abspulen, aber darüber hinaus nichts weiter
vertiefen.
Und hierfür gebe ich
auch dem Bundestrainer eine Mitschuld. Was der für taktische
Anweisungen gibt, finde ich nicht immer gelungen. Beispiele? Keine
Fernschüsse, keine Grätschen, keine hohen Bälle. Aber das in einem
anderen Punkt.
Grund 4: Die Spieler im
Kader
Zugegeben: Deutschland
hat große Qualitäten in den eigenen Reihen – sehr große. Und
trotzdem fehlen für mich Kernspieler. Spieler, wie Ballack, Kahn,
Matthäus, Effenberg. Diese absoluten Leadertypen, die sich nichts
gefallen lassen und auch mal dazwischen gehen. Die wissen, wie man
ihre Mannschaft nach vorne treibt und motiviert. Die sich für den
anderen Spieler einsetzen und notfalls auch eine Karte riskieren.
Spieler, die im Interview auch mal ihre Meinung sagen, anstatt die
vorher fleißig auswendig gelernten Floskeln. Aber diese Spieler sind
nicht mehr erwünscht. Ein Jogi Löw hat einen Frings und einen
Ballack systematisch entfernt. Gefragt sind die umgänglichen
Spieler. Ist ja schön und gut, denn solche „Großsprecher“
können auch mal die Stimmung kaputt machen. Trotzdem sehe ich diese
als Schlüssel zu einem Finalsieg. Du brauchst solche Menschen, die
zwischen Genie und Wahnsinn leben. Die Dinge tun, mit denen niemand
rechnet. Aber das ist nicht mehr erwünscht. Zumindest in Deutschland
nicht.
Grund 5: Die taktische
Ausrichtung
Ja, Herr Bundestrainer,
hier gibt es Kritik. Ich habe oben schon erwähnt, dass keine
Fernschüsse erlaubt sind und auch keine Grätschen. Für mich hier
ein entscheidendes Handicap. Es steht außer Frage, dass nicht
ständig aus der zweiten Reihe aufs Tor geschossen werden soll. Aber
manchmal kann solch ein Fernschuss ein Spiel drehen. Der Torwart
rechnet nicht damit, der Ball flattert, zack Tor. Hätte Klinsmann
2006 solche Schüsse verboten, hätte Schweinsteiger nie die Tore
gegen Portugal gemacht. Das Problem daran ist, dass wir Spieler
haben, die das können. Bei der EM 2012 durften die Jungs in einem
Spiel solche Fernschüsse abliefern. Das war gegen Griechenland.
Endergebnis war im Übrigen ein 4:0 für uns. Und da waren
Fernschusstore dabei. Vielleicht mal das Ganze überdenken.
Ein weiteres Manko sind
für mich die fehlenden Grätschen. Ich rufe hier nicht nach
Blutgrätschen, bitte nicht falsch verstehen. Aber eine faire
Grätsche muss auch mal sein. Darf hier aber nicht. Und damit sehe
ich auch einen gewissen Respektsverlust gegenüber unseren
Innenverteidiger. Spieler, wie Neymar, Ibrahimovic, Messi, Ronaldo,
die wissen doch, dass die deutschen Spieler nicht grätschen dürfen.
Die machen zwei Tricks, dann sind sie am Mann vorbei und stehen vorm
Torwart. Ich stelle mir das mal bei Piquet und Ramos in Spanien vor.
Die tricksen einmal, dann liegen sie auf dem Boden. Die tricksen
nochmals, dann liegen sie wieder da. Bei uns darf nur abgelaufen
werden. Hauptsache kein Foulspiel begangen.
Das System sollte
vielleicht auch noch angesprochen werden. Häufig wurde über die
Personalie Kießling diskutiert. Ich bin kein Fan von ihm, sehe aber
Spieler wie ihn in der Nationalmannschaft. Man kann doch nicht einen
Götze in den Sturm stellen. Dadurch nimmt man sich die Möglichkeit
eines Kopfballtores. Ein kleiner Spieler ist 20-30 cm kleiner, als
sein gegnerischer Innenverteidiger. Da muss der Verteidiger noch
nicht einmal hochspringen, um den Ball wegzuköppeln. Du brauchst
diesen Stürmer, der genau dann da ist, wenn man ihn braucht. Der
keine Abwehrarbeit macht, den du 89 Minuten lang nicht sieht, aber in
der 90. Minute zuschlägt und trifft. Der fehlt hier dann wohl auch.
Ebenso sehe ich kaum Flexibilität im System. Wenn gewechselt wird
(und nicht auf Grund einer Verletzung), dann sind das meist
positionsgetreue Wechsel. Man praktiziert das System, welches Spanien
spielt, weil die ja erfolgreich sind.
Allerdings stelle ich mir
die Frage: Spanien spielt ohne Spielmacher. Weil sie momentan keinen
überragenden haben. Was wäre, wenn Isco (Real Madrid) vor zwei
Jahren ein weltklasse Niveau gehabt hätte und gespielt hätte? Dann
würde Löw vermutlich den 10er bringen. Was wäre, wenn sich die
spanischen Stürmer 2012 nicht verletzt hätten oder in Form gewesen
wären? Dann wäre der Stoßstürmer wohl dabei. Vielleicht sollte
man das System spielen, für das man die Leute hat. Ein Hummels ist
kein Piquet, ein Schweinsteiger ist kein Xavi und ein Toni Kroos ist
kein Iniesta.
Und wo sind eigentlich
die Stürmer in der Mannschaft? Ja, wir haben Miroslav Klose. Okay,
Müller kann vorne rein, ebenso Poldi und Schürrle. Aber Götze doch
nicht. Mir fehlt dieser klassische Mittelstürmer. Einer, wie Stefan
Kießling oder Mario Gomez. Ein Stürmer, der auch mal so irgendwie
den Ball ins Tor stochert, weil er genau da steht, wo er stehen muss.
Ebenso einer, der auch mal einen Kopfball verwerten kann (spielt in
Deutschland keine Rolle, weil es keine hohen Bälle geben darf). Ja,
Barcelona praktiziert ein System ohne diesen Stürmer, aber wie
erwähnt, wir sind nicht Barcelona.
Grund 6: Übertriebener
Luxus
In Anbetracht der
Tatsache, was ein Nationalspieler mittlerweile an Luxus bekommt, ist
es nicht verwunderlich, wenn man darüber nur den Kopf schüttelt.
Fast schon eine Sensation, dass sich die Spieler in diesem Jahr ihr
Handtuch selbst holen müssen. Die Unterkunft muss mindestens 5
Sterne haben und hermetisch abgeriegelt sein, damit nicht mal ein
Staubkorn Zutritt bekommt. Das gipfelt dann schließlich darin, dass
der Bäcker der Nationalmannschaft seine eigene Brotbackmaschine mit
nach Brasilien nimmt. Klopapier, Mehl, Fernseher, alles wird mit dem
Schiff rüber gekarrt, damit es den Jungs ja gut geht. Die sollten
mal wieder mehr nach Malente gehen und dort den sagenumwobenen Geist
beschwören, der nicht einmal gewirkt hat. Stattdessen wird eine
Hotelanlage gebaut, die den Wünschen des DFB entspricht. Ja, ich
weiß, dass die Anlage so und so gebaut worden wäre. Aber seid nicht
so naiv und glaubt, dass der DFB da nicht mitgesprochen hat, was wie
gebaut wird.
Grund 7: Superstars
Wir haben viele gute
Spieler. Aber meiner Meinung nach fehlt der Mannschaft einer der
Superstars. Ein Messi, Neymer, Ronaldo oder Ibrahimovic sucht man
meiner Meinung nach vergebens. Es gibt viele sehr gute Spieler, aber
kaum jemand hat das Potential das Spiel auch mal alleine zu drehen.
Auf diesen Punkt lege ich keinen all zu großen Wert. Schließlich
hatten wir 1990 auch eine Vielzahl von Spielern hatten, die keine
Superstars waren. Allerdings muss man sagen, dass ein genialer
Matthäus in den eigenen Reihen stand.
Grund 8: Typen
Einer der Hauptgründe,
warum wir nichts reißen werden. Uns fehlen die Typen. Effenberg,
Matthäus, Basler, waren alles Spieler, die angeeckt sind, aber die
nicht glatt poliert waren. Die haben auch mal nach dem Spiel
geschimpft und gewütet. Aber heute will das niemand mehr sehen.
Alles muss professionalisiert werden. Meiner Meinung nach ist das ein
gewaltiger Rückschritt. Ich erinnere mich an das Wintermärchen von
2007, als die Handballer im eigenen Land Weltmeister wurden. Es gab
ein Spiel, da hat die Mannschaft gepennt. Oliver Roggisch hat das
gesehen und ging überhart in einen Zweikampf, der mit dem
Platzverweis bestraft wurde. Danach spielte die Mannschaft aber
wieder auf.
Es gibt in der Mannschaft
keine Hierarchie. Keine Typen, die vorweg gehen. Wir haben zahlreiche
Spieler, die nie ein falsches Wort sagen. Ja, die jeder
Schwiegermutter gefallen würden. Aber wir sind hier nicht auf dem
Kaffeekränzchen, sondern auf dem Fußballplatz. Und da brauchst du
auch mal einen Spieler, der den Ton angibt. Der auch mal jemanden
anschnauzt oder im Interview seine eigene Meinung kundtut und nicht
immer der vorgegebene Müll, der immer wieder repetitiv abgespielt
wird. Ein Spieler, der einfach will. Und damit auch die anderen
mitreißen kann.
Ich bin Real-Fan, daher
kann ich nur aus dieser Sicht schreiben. Aber einer, der dieses
Profil erfüllt, ist Sergio Ramos. Warum macht der Kerl im Finale der
Champions League zwei Minuten vor Ende das Tor? Weil er will! Der
geht auch mal in einen Zweikampf und grätscht dazwischen. Da haut
auch mal einen Ball nach vorne, damit das Ding weg ist. Der macht und
tut und ackert. Und gibt erst auf, wenn der Schiedsrichter abpfeift.
Bei den deutschen Spielern habe ich das Gefühl, dass die schon bei
einem Rückstand von zwei Toren resignieren und nicht mehr wollen. Da
fehlt dann auch die Körpersprache, die dem Gegner klar macht, dass
das Ding nicht gelaufen ist.
Ich halte die Entwicklung
für sehr gefährlich. Nicht nur aktuell, sondern auch für die
nächsten Generationen. Typen werden systematisch bekämpft und
ausradiert. Die haben im Fußball keine Daseinsberechtigung mehr.
Solche Führungsspieler werden wir auf Dauer nicht mehr bekommen. Ich
plädiere hier nicht für irgendwelche Großsprecher. Sondern für
diese Leader. Ich bin gespannt, in welche Richtung sich das
entwickeln wird, aber momentan bin ich doch sehr pessimistisch.
Grund 9:
Identifikationsfaktor
Ja, das Land ist wieder
in schwarz-rot-gold getaucht. Die Häuser und Autos sind dekoriert,
es kann also los gehen. Das Land steht wieder zusammen und zwar
hinter der Mannschaft. Wie schon erwähnt wird man mit
Merchandisingprodukten wieder zugemüllt. Man könnte meinen, alle
für einen, einer für alle.
Ich persönlich sehe das
nicht so. Junge, was habe ich 2006 mitgefiebert. Immer, wenn ein
Spiel war, war ich von oben bis unten in den Deutschlandfarben
kostümiert. Ich kenne sogar noch den Kader mit entsprechenden
Rückennummern. Klinsmann hat dafür gesorgt, dass wir wieder wer
sind und dass wir das zeigen dürfen.
Acht Jahre später ist
für mich nicht mehr viel da. Die Identifikation mit der Mannschaft
ist wesentlich geringer. Nicht, dass sie mir egal wäre. Aber ich
würde mir nicht mehr die Hände vors Gesicht halten, weil ein
Elfmeter gegeben wurde. Ich würde den einfach so hinnehmen.
Mir gefällt die
Entwicklung unter Löw absolut nicht. Bundestrainer zu sein ist
sicherlich schwer, obwohl es in Deutschland 80 Millionen davon gibt.
Ich möchte den Job nicht machen. Aber ich finde die Arbeit von Löw
mittlerweile nicht mehr gut. Nach der EM sank die Bereitschaft zur
Identifikation kontinuierlich. Früher wäre es undenkbar gewesen bei
einem unbedeutenden Freundschaftsspiel wegzugehen und das Spiel zu
verpassen. Heute schaue ich kaum noch die Qualifikationsspiele. Und
das liegt nicht nur an den blöden Terminen.
Ich kann mit der
Mannschaft nicht mehr viel anfangen. Es tut mir auch weh das so
schreiben zu müssen. Aber wenn ich mir andere Teams anschaue, haben
die es wesentlich einfacher meine Sympathien zu bekommen. Spanien
oder Portugal zum Beispiel. Die Entwicklung des deutschen Fußballs
hat dafür gesorgt, dass mein Verein mittlerweile über die
Nationalmannschaft dominiert. Wie gesagt, ich finde es nicht gut.
Aber ich stehe hier und kann nicht anders.
Ihr denkt jetzt, falls
ihr das überhaupt gelesen habt, „Wat will der Kerl?“. Die
Euphorie ein wenig bremsen und meine Sicht auf diese Dinge mitteilen.
Nein, was ich hier schreibe ist nicht allgemeingültig und ich weiß,
dass ich damit polarisiere und auch die Parteienbildung fördere. Und
das auch bewusst. Ich weiß, dass ich an vielen Stellen übertrieben
habe. Aber ich denke nicht, dass Deutschland in diesem Jahr ein
Mitspracherecht auf den Titel hat. Ich sehe Brasilien (wenn sie dem
Druck stand halten) und Spanien (wenn sie mit dem Klima klarkommen)
deutlich vorn. Dahinter gibt es ein paar Länder, die „Chancen“
haben (Argentinien, Deutschland, Belgien, vielleicht auch die eine
oder andere Überraschung). Aber für den großen Wurf wird es erneut
nicht reichen.
Was nicht heißt, dass
ich alles erdenklich tue, um dies zu verhindern. Natürlich würde es
mich sehr freuen, wenn die mich Lügen strafen würden und den Pott
nach Deutschland holen. Es wird nämlich einfach mal wieder Zeit. Es
gibt in diesem Kader ein paar Spieler, für die ich mich wirklich
richtig freuen würde. Vor allem, weil man ja nicht weiß, wie es in
vier Jahren aussieht.
Doch ich denke, dass es
eben 2014 nicht reichen wird. Wir dürfen uns wieder mit der Rolle
des Gratulanten anfreunden. Und dann muss der DFB schauen, wie er bis
zur EM 2016 weiter machen möchte. Mit Löw oder ohne. Und wo die
eigenen Ansprüche stehen. Schöner oder erfolgreicher Fußball?
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